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Sommermond

Titel: Sommermond
Autoren: M. Hart
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an den trockenen Hautfetzen seiner Fingerkuppen. Gegenüber von ihm befand sich das hölzerne Mobiliar, direkt dahinter zwei Polizisten, die ihn nicht aus den Augen ließen. Zwischendurch blätterten sie in ein paar Akten oder nahmen Anrufe entgegen. Zeitweise tippten sie etwas in ihrem ganz speziellen Zweifingersystem in die Computer.
    Alex fühlte sich unwohl. Er wollte endlich von diesem Ort verschwinden. Er kam sich mittlerweile wie ein Schwerverbrecher vor. Dabei hatte er Ben nur beschützen wollen. Aber die dummen Polizisten hatten ihm nicht geglaubt. Stundenlange Verhöre hatte es gegeben – die halbe Nacht lang. Erst als sich ganz unverhofft ein Augenzeuge gemeldet hatte, war mit nur wenigen Worten der Großteil der Schuldzuweisungen von ihm gewichen. Dennoch hatten die Polizisten, insbesondere ein äußerst spießiger Kriminalbeamter, Bens Aussage abwarten wollen. Sie waren sich unschlüssig darüber gewesen, was sie bis dahin mit Alex anstellen sollten. Doch zum Glück gab es da Jo. Zum ersten Mal in seinem Leben war Alex seinem Vater dankbar dafür, dass er einen derart anerkannten Status in der Stadt hatte. Ein kurzes Telefonat hatte genügt, und plötzlich waren sich die Beamten darüber einig gewesen, Alex vorerst nach Hause zu entlassen.
    Nun wartete er schon seit Stunden auf seine Entlassung. Allein durfte er die Polizeistelle nicht verlassen. Mittlerweile war es schon später Vormittag. Draußen war es hell geworden. Die graue Wolkendecke schob sich zur Seite und ließ tatsächlich ein paar Sonnenstrahlen durch.
    Alex riss sich ein Stück Haut vom Daumen. Gleich darauf begann es an der entstandenen Wunde zu bluten.
    „Fuck …“, fluchte er und steckte sich den Finger in den Mund.
    „Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“, fragte einer der Polizeibeamten und beäugte ihn skeptisch. In seiner Stimme schwang purer Sarkasmus.
    Alex warf ihm einen finsteren Blick zu und ignorierte seine Frage. Sein Mund füllte sich mit dem metallischen Geschmack seines Blutes. Die Knochen in seinem Hintern schmerzten. Er saß nun schon so lange auf dem harten Holzstuhl, dass die Nerven in seinen Pobacken taub geworden waren. Schließlich hielt er es nicht mehr länger aus und sprang auf. Sofort richteten sich auch die beiden Polizisten auf.
    „Hey!“, rief einer von ihnen und hob seine Hand in einer warnenden Geste.
    Alex wollte gerade etwas Gehässiges erwidern, als genau im selben Moment die Tür zum Revier aufsprang. Hinein trat niemand anderes als sein Vater. Kaum, dass die Tür hinter ihm zugefallen war, versuchte Jo die fragwürdige Situation zu interpretieren.
    Alex vergeudete jedoch keine weitere Sekunde. Er stürmte zu seinem Vater und warf ihm einen erwartungsvollen Blick zu.
    „Wie geht’s Ben?“, schoss es zeitgleich aus ihm heraus.
    „Den Umständen entsprechend“, erwiderte Jo.
    „Heißt das?“ Alex spürte, wie sich ein gewaltiger Schwall Erleichterung in ihm auftat.
    „Ja“, erwiderte Jo, „Ben hat es geschafft.“
    Sofort schlug Alex sich eine Hand vor den Mund und wandte den Blick ab. Er wusste nicht, ob er vor Freude heulen oder lachen sollte. Auf diese Worte hatte er die ganze Nacht gehofft. Sie waren die beste Neuigkeit, die er in seinem bisherigen Leben je erhalten hatte.
    Jo schritt auf die Anmeldung der Polizeiwache zu und legte seinen Ausweis vor. Er tat dies in einer Geste absoluter Selbstverständlichkeit. Gerade so, als sei es nicht das erste Mal, dass er etwas Derartiges machte.
    „Kann ich ihn jetzt mitnehmen?“, fragte er dazu und seufzte laut auf.
    Der Polizist mit dem braunen Schnäuzer beugte sich vor und warf einen kurzen Blick auf Jos Papiere. Er schien sich seiner Sache nicht ganz sicher zu sein. Vermutlich wollte er keinen Fehler begehen, sich aber auch nicht mit einem Prominenten anlegen.
    „Alles klar“, sagte er dann und schob den Ausweis zurück in Jos Richtung. „Aber lassen Sie Ihren Sohn nicht aus den Augen. Auch, wenn es Augenzeugenberichte gibt, die für ihn sprechen …“ Er stockte kurz. „… das heißt noch lange nicht, dass er fein aus der Sache raus ist. Wir müssen Herrn Richters Aussage abwarten. Außerdem gibt es da noch einiges mehr zu besprechen.“ Erneut pausierte er, nahm einen Stapel Akten und klopfte sie so lange auf den Tisch, bis die herausstehenden Seiten sich einsortierten. „Die Teilnahme an unerlaubten Glücksspielen ist strafbar.“
    „Ja, das weiß ich“, erwiderte Jo. „Können wir jetzt gehen? Für alles weitere setzen Sie
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