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Sommermond

Titel: Sommermond
Autoren: M. Hart
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machen sollte. Sollte er zu Ben? Vermutlich würde er dort tatsächlich dessen Eltern und Nick begegnen. Darauf konnte er momentan jedoch getrost verzichten. Also entschied er sich für eine andere Option. Das Hotel, in dem Ben bis vor dem Unfall untergekommen war, lag nicht weit entfernt. Ihn erwartete lediglich ein Fußmarsch von nicht mehr als zehn Minuten. Deshalb entschied er sich, dorthin zu gehen. Auf diese Weise konnte er nicht nur etwas Zeit gewinnen, sondern auch in Ruhe über alles nachdenken.
    Müde setzte er einen Fuß vor den anderen. Ihm war kalt. Seine Knie zitterten und sein Körper war übersät mit einer Gänsehaut. Wieder stieg der altbekannte Hass in ihm auf. Er hatte genug Gründe, seinen Vater nicht leiden zu können. Immer wieder bestätigte sich das Bild, der unerwünschte Sohn zu sein, der mit seinem individuellen Charakter nicht in Jos Hochglanzwelt passte. Natürlich war er seinem Vater dankbar dafür, ihn vorzeitig aus den Fängen der Polizei befreit und einen guten – vermutlich sehr teuren – Anwalt eingeschaltet zu haben. Dennoch genügten diese formalen Handlungen nicht, um Alex zu beweisen, dass Jo etwas an seinem Sohn lag. Stattdessen hatte sich dieser Vorwürfe gemacht, Ben in die Misere geschickt zu haben. Ein Wort darüber, dass er sich auch um Alex sorgte und froh war, dass diesem nichts Schlimmeres widerfahren war, hatte es nicht gegeben. Das machte Alex wütend. Wie immer. Für den Bruchteil einer Sekunde schaffte er es sogar, sich wieder daran zu erinnern, warum er Ben zu Beginn dessen Praktikums so verachtet hatte. Das Verhältnis zwischen ihm und seinem Vater war fast familiär geworden. Von Anfang an hatte Jo Ben ständig gelobt und seine positiven Eigenschaften über die negativen von Alex gestellt. So war Ben wie von selbst in eine Rolle gedrängt worden, die Alex nicht hatte ausstehen können. Erst mit der Zeit und durch viele Vorfälle hatte er erkannt, dass Ben keine Schuld an seiner Situation trug. Gleichzeitig hatte er sich verliebt. Der schleichende Prozess seiner neuen Neigung, auf Männer zu stehen, hatte ihm Angst gemacht. Letzten Endes hatte er den Kampf jedoch aufgegeben und sich zu seinen Gefühlen bekannt. Das bereute er nicht. Er liebte Ben. Er liebte ihn über alles.
    Umso größer war der Schock gewesen, als Ben angeschossen worden war und daraufhin blutüberströmt am Boden gelegen hatte. Schuld daran gab Alex weder seinem Vater noch Diego. Die Schuld gab er nur sich selbst. Er fühlte sich dafür verantwortlich, Ben in die ganze Scheiße hineingezogen zu haben. Er hatte Ben an all seinen Problemen teilhaben lassen und dadurch mehr oder weniger mutwillig dazu beigetragen, dass dieser sich in seine Angelegenheiten eingemischt hatte. Ohne seine Dummheit wäre Ben nichts passiert und genau das machte ihm zu schaffen. Er machte sich Vorwürfe und verfluchte sich selbst dafür, überhaupt mit dem illegalen Pokern begonnen zu haben.
    Bei genau diesem Gedanken musste er hohl auflachen. Dann schüttelte er selbstironisch seinen Kopf. Noch immer konnte er kaum glauben, was für ein abgekartetes Spiel das Ganze gewesen war. Diego hatte ihn zu den illegalen Spielen geführt. Wie er jetzt wusste, war das genau so geplant gewesen. Jeder in dem Pokerclan schien eine spezielle Aufgabe zu haben. Die von Diego war es, depressive, reiche, naive Leute in die Szene hineinzuschleusen. Das war ein merkwürdiger Gedanke. Immerhin hatte Diego seine Rolle perfekt gespielt. Er hatte ängstlich geklungen, wenn es um die Schulden gegangen war, in die Alex ihn mit hineingeritten hatte. Diego war verzweifelt gewesen, hatte mit Alex sogar einen Einbruch geplant und durchgeführt. Alles nur, um irgendwie an die 40.000 Euro für den Spanier zu gelangen. Doch letzten Endes war all das nur ein großes Spiel gewesen und Diego hatte das Notwendigste getan, um seine Rolle authentisch aussehen zu lassen. Erst mit dem Outing des jungen Italieners hatte Alex das gesamte Ausmaß seiner Probleme begriffen. Er hatte begriffen, dass er tiefer in der Scheiße steckte, als bislang angenommen. Er hatte begriffen, dass die 40.000 Euro nur Geld waren, aber längst nicht dafür genügten, sich freizukaufen. Das war noch immer ein akutes Problem. Er wusste nicht, wie es weitergehen würde, befürchtete aber, dass die ganze Sache noch lange nicht vorbei war. Einen Ausweg wusste er nicht, schaffte es aber auch nicht, sich genügend Gedanken darüber zu machen.
    Mittlerweile war er in der Straße des
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