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Sommermond

Titel: Sommermond
Autoren: M. Hart
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reichte ihm das Glas.
    Ben nippte ein paar Mal an der klaren Flüssigkeit und seufzte gleich darauf leise auf.
    „Nimm’s ihnen nicht übel!“, sagte Nick dann. „Alex wurde am Tatort festgenommen. Er hatte die Waffe in der Hand, mit der auf dich geschossen wurde. Ist doch klar, was wir da denken.“
    Ben wurde augenblicklich übel. Sein Magen zog sich zusammen und ein heißkalter Schauer jagte über seinen Rücken.
    „Er wurde festgenommen?“, fragte er fassungslos.
    „Ja.“ Nick zuckte mit den Schultern. „Mann, keine Ahnung. Ich war nicht dabei.“
    „Alex hat überhaupt nichts gemacht!“, schoss es aus Ben.
    Nick zuckte erneut mit den Schultern.
    „Verdammte Scheiße!“, fluchte Ben daraufhin.
    Die Übelkeit verwandelte sich in Schwindel. Wirre Gedanken kreisten in seinem Kopf. Erneut kündigte sein Verstand seinem Kopf einen Film an, dessen Bilder Ben nur mit geschlossenen Augen folgen konnte. Er versuchte sich zurück zu erinnern und dabei auf alle Details zu achten. Binnen Sekunden sah er sich zurück am Tatort: Etwa zehn Meter von ihm entfernt rangen Diego und Alex miteinander. Alex versuchte Diego auszubremsen, doch der hielt die Waffe noch immer fest in seinen Händen. Und dann plötzlich -
    BUMM
    Ben zuckte erneut zusammen. Der Schuss hallte in seinem Gedächtnis wider. So, als ob er tatsächlich noch inmitten der Häuserfassaden des Pinnasbergs stehen würde. Er hallte laut und unnachgiebig und verwandelte sich dabei in ein nicht mehr auszuhaltendes Dröhnen. Sofort riss Ben seine Augen auf.
    Er wusste, wer geschossen hatte. Er wusste, dass Alex das Ganze nur hatte verhindern wollen. Und er wusste auch, dass es ohne Alex‘ Eingreifen vermutlich wesentlich schlimmer geendet hätte.
    „Mann, wir wollen dir doch nur helfen“, warf Nick ein, „weil wir uns Sorgen machen.“
    Ben schwieg.
    „Und ich bin verdammt froh, dass dir nichts Schlimmeres passiert ist“, fügte Nick noch hinzu.
    Kurz darauf spürte Ben wieder die Hand seines Exfreundes auf der seinen. Die Berührung war einseitig und kalt.
    „Ich lass dich jetzt besser allein, okay?“, fragte Nick vorsichtig. Er schien zu merken, dass Ben zu keinem Gespräch mehr in der Lage war.
    Ben nickte kaum merklich.
    Nick drückte seine Hand noch einmal fest auf die von Ben und erhob sich schließlich vom Stuhl. Er zog seine Jacke von der Lehne und warf sie sich über. Ben mied jeglichen Blickkontakt. Sein Exfreund seufzte und trat anschließend zur Tür. Dort verharrte er erneut.
    „Der Streit zwischen uns ...“, sagte er leise. „Lass uns das vergessen, ja?“
    Ben zögerte einen Moment, bis er erneut nickte, dabei aber weiterhin ziellos aus dem Fenster starrte. Dann lauschte er so lange, bis er die Tür zugehen hörte.
    Jetzt war er endlich allein. Nach dieser Ruhe hatte er sich gesehnt, seit er aufgewacht war. Dennoch war die Stille plötzlich erdrückend. Die weißen Krankenhauswände zerrten an seinem Verstand. Das Zimmer glich einer Zelle, in der er sich hilflos und eingesperrt fühlte. Er wollte nicht tatenlos herumliegen, sondern mit Alex sprechen. Er sorgte sich um ihn und hoffte inständig, dass es ihm gut ging. Dann kam ihm plötzlich eine ermutigende Idee. Er streckte seinen Arm nach dem Nachtschrank aus und tastete auf der Ablagefläche herum. Doch das kurze Gefühl von Hoffnung sickerte ebenso schnell wieder zurück, wie es gekommen war. Sein Handy schien nicht hier zu sein. Aufgrund dieser Erkenntnis stöhnte er genervt auf. Nun blieb ihm nichts anderes übrig, als der Stille zu horchen. Es war so gut wie nichts zu hören. Der kleine Monitor, der seinen Blutdruck und Puls überwachte, surrte leise und zwischendurch waren Schritte auf dem Gang zu hören. Ansonsten war da nichts. So absurd es auch war, verhalf ihm die Zeit der Ruhe nicht - wie eigentlich erhofft - zu klareren Gedanken, sondern machte ihn nur umso wahnsinniger. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren.
    Immer wieder bohrte sich nur eine einzige Frage in seinen Kopf: Wo ist Alex?
    Die Frage begann, endete und begann von neuem. Wieder und wieder. Sie war wie ein Parasit, der sich in sein Hirn gefressen und nur diese Frage als Haufen Kot hinterlassen hatte. Eine Frage, auf die er keine Antwort fand und die ihm Geduld abverlangte, die er nicht besaß. Dennoch musste er abwarten. Etwas anderes blieb ihm nicht übrig. Er musste warten, dass Alex sich meldete und hoffte inständig, dass dies möglichst bald geschehen würde.

2
    Alex war nervös. Ungeduldig pulte er
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