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Sommergewitter

Sommergewitter

Titel: Sommergewitter
Autoren: Kristina Dunker
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Gesicht geschrieben stand und den seine ganze Hast und Hektik nicht weitergebracht hatten.
    »Ihr habt doch auch Geheimnisse vor mir und erzählt mir nicht alles.«
    »Wie bitte?«, rief meine Mutter.
    Mein Vater zog mich ins Haus. »Wir müssen das nicht alles auf der Straße diskutieren! Ich will jetzt nichts mehr von diesem alten Kram hören! Das Einzige, was zählt, ist, dass wir Ginie gesund und munter wiederfinden und dass ich erfahre, wo du warst!«
    »Hat Ginie sich noch nicht gemeldet? Ich hab mit Rüdiger gesprochen, er hat sie zum Bahnhof gebracht, sie hat ihm versprochen, uns um Mitternacht anzurufen.«
    »Du hast mit Rüdiger gesprochen?!«, rief mein Vater.
    »Allein?«, fragte meine Mutter erschrocken.
    Ich antwortete nicht, warf schnell einen Blick auf die Küchenuhr. Viertel nach 12.   Warum rief Ginie nicht an?Verdammt. Musste sie Rüdiger noch mehr in Schwierigkeiten bringen?
    »Sie hat sich nicht gemeldet!«, sagte mein Onkel langsam und resigniert. Er wirkte, als hätte er Ginie schon aufgegeben. Nicht einmal mehr Rüdigers Aufenthaltsort schien ihn im Moment zu interessieren. »Wieso glaubst du, was dieser Typ dir erzählt?«
    »Weil es plausibel ist und ich es eben glaube!«, rief ich und stampfte mit dem Fuß auf. Diese traurigen Gestalten machten mich noch wahnsinnig. Ginie lebte. Ginie war irgendwo und rannte kopflos durch die Nacht. Mein Blick traf den von Jonas, er hatte noch immer die gleichen großen Augen wie in dem Moment, in dem ich Florian geohrfeigt hatte. Mein Triumphgefühl war noch da und nach dem Gespräch mit Rüdiger sogar gewachsen. Es war richtig, was ich getan hatte. Aber jetzt musste sie endlich ein Lebenszeichen von sich geben!
    Wieder sah ich zur Uhr. Die anderen taten es mir nach. Ich konnte mich doch nicht getäuscht haben! Diesmal nicht!
    Das Telefon klingelte.
    »Gott sei Dank!«, rief ich.
    Meine Mutter stieß ein fiependes Geräusch aus wie ein kleines Tier, Jonas riss den Mund auf, mein Onkel grabschte nach dem Apparat, mein Vater schnellte vor, um mithören zu können. »Hallo?! Ginie?«
    Wir hielten alle den Atem an. Meine Mutter rang die Hände, vielleicht wollte sie beten.
    »Ginie?«, rief mein Onkel.
    Dann die Ernüchterung: »Ah, ja. Augenblick.   – Deine Freundin, Annika.« Ohne mich anzusehen reichte ermir den Hörer. Lange würde er nicht mehr durchhalten, das sah ich. Auch meine Mutter nicht. Sie legte wieder den Kopf in den Nacken, griff nach einem Taschentuch.
    »Jetzt geh schon dran!«, brummte mein Vater.
    »Ja?«, meldete ich mich. Zuerst hatte ich keinen blassen Schimmer, welche Freundin da am Telefon sein könnte, war richtig überrascht, Steffis Stimme zu hören.
    »Ich wollte nur mal wissen, ob es etwas Neues gibt«, sagte sie.
    »Ach, du bist’s. Ja, gibt es. Rüdiger ist unschuldig. Aber Ginie ist noch nicht wieder da. Ich kann dir das jetzt nicht erklären. Ich will die Leitung nicht blockieren. Wir warten jeden Moment darauf, dass Ginie anruft.« Ich wimmelte Steffi ab, sagte ihr, sie solle ins Bett gehen.
    Dann lag das Telefon wieder da. Stumm.
    Nun musste ich berichten: »Rüdiger hat mir sehr überzeugend erzählt, was los war: Ginie wollte fort, er hat ihr geholfen. Aus irgendeinem Grunde fand sie es hier ganz schrecklich. Und ich glaube, das hat irgendwie mit der ertrunkenen Frau am See zu tun.«
    Ich sah meine Familie an. Meine Eltern und mein Onkel tauschten Blicke, machten einen letzten Versuch, die Fassade aufrechtzuerhalten.
    »Unsinn«, flüsterte mein Onkel matt und stützte kraftlos den Kopf in die Hände.
    »Die Vergangenheit totzuschweigen bringt überhaupt nichts, Paul. Die Mädchen sind alt genug, um . . .«
    »Mein Mädchen ist verschwunden, am See verschwunden, Bernd, geht das nicht in deinen Schädel?«, brüllte mein Onkel, vergrub dann den Kopf in den Armen und weinte.
    Meine Mutter ließ wieder ihr Mäusefiepen hören und flüchtete ins Bad. Jonas starrte meinen Onkel mit aufgerissenem Mund und Augen an, dann drückte er sich an mir vorbei und lief in den Garten. Nur mein Vater blieb, er ließ sich schwerfällig neben seinen Schwager auf einen Stuhl plumpsen und legte ihm den Arm um die Schulter.
    »Gib uns mal die Zigaretten, Annika.«
    »Mensch, Papa.« Ich wischte mir über die Wangen. Verflixt, jetzt fing ich auch noch an zu flennen! »Du wolltest doch nicht mehr rauchen, du . . .«
    Das Klingeln des Telefons unterbrach mich. Unwirsch nahm ich ab. Wer war das jetzt? Etwa Alexa? Ich meldete mich.
    »Annika?
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