Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommergewitter

Sommergewitter

Titel: Sommergewitter
Autoren: Kristina Dunker
Vom Netzwerk:
Dancefloor.«
    Yasmin staunte Bauklötze. Ginie wurde rot. Rüdiger lachte: »Weiß deine Mutter das schon?«
    »Klar. Sie wird sich dran gewöhnen müssen, dass sich hier was ändert.«

Epilog
    Mein Vater fährt auf die Autobahn. Das war’s also! Ich lehne meinen Kopf an die Scheibe, Augen geschlossen.
    »Möchtest du Musik hören?«
    »Egal.«
    Ich will nicht mit ihm reden, tue so, als mache mich die Sonne auf meinem Gesicht schläfrig.
    »Bist du traurig, Ginie?«
    Ohne ihn anzusehen, weiß ich, wie er mich mustert. Mitleidig, aber mit einem Auge auf den Verkehr, forschend, aber nicht so intensiv, dass er ein zweites Mal fragen würde. Es interessiert ihn nicht, dass ich nicht weiß, wie ich es in dem Ort aushalten soll, in dem meine Mutter umgekommen ist.
    Ich blinzele nach draußen. Industriegebiete mit großen viereckigen Märkten und großen viereckigen Parkplätzen wechseln sich mit viereckigen Feldern und viereckigen Waldstücken ab. Gleichgemachte, genormte Natur. Ich habe das Gefühl, wenn ich zu lange daraufblicke, werden auch meine Augen viereckig.
    Gestern habe ich im Fernsehen einen Bericht über Videokunst gesehen. Ein Künstler hatte gefilmt, wie eine Frau von einem Mann in einem großen Aquarium ertränkt wird. Man sah den Kopf der Frau, das verzerrte Gesicht, den gegen die Scheibe gedrückten, aufgerissenen
Mund, die blonden Haare, die sich wie eine Unterwasserpflanze im Becken ausbreiteten, ihre zappelnden, um sich schlagenden Arme und die kleinen bunten Zierfische, die verwirrt zwischen den Haaren herumschossen. Von dem Mann sah man nur die Hand und den muskulösen Unterarm.
    Der Clou des Videos war, dass diese Sequenz wiederholt wurde. Endlos, hatte der Moderator gesagt und hinzugefügt, dass der Künstler dafür mit einem internationalen Preis ausgezeichnet worden war.
    Ich hätte gern noch mehr über diesen Künstler erfahren, aber mein Vater war hereingekommen und ich hatte schnell umgeschaltet. Mit klopfendem Herzen. Er jedoch hatte keine Verbindung hergestellt, hatte nur gesagt, er wolle den Fernseher nun auch verpacken, für den Umzug.
    Mein Vater weiß nicht, dass ich mit seiner Geschichte noch nicht fertig bin, aber ich glaube, er ahnt es. Er kann einfach nicht davon ausgehen, dass ich seine Erklärungen so schlucke wie die ertrinkende Frau das Wasser. Er kann nicht so dumm sein zu hoffen, dass ich sein erneutes Schweigen akzeptiere und mich von nun an mit Fragen und Sorgen an meine Tante wende. Selbst wenn ich wollte, so leicht kann ich es ihm nicht machen. Er hat es mir ja schließlich auch nicht leichtgemacht. Mir jahrelang nicht die Wahrheit gesagt.
    Dieses Video in Endlosschleife . . . Wie kommt man auf so etwas?
    Mein Vater fragt, ob ich ein Bonbon wolle.
    Ich schüttele den Kopf.
    »Nimm doch eins, Ginie!«
    »Also gut.«
    Mein Vater lächelt mich an. Ich lächle zurück. Überlege, ob mein Lächeln nicht verlogen ist.
    Das Bonbon schmeckt nach Johannisbeere. Die wachsen zuhauf im senkelschen Garten. Annika hat gesagt, sie seien reif, wenn ich käme. Immerhin lebt dort, wohin wir fahren, meine Cousine. Zumindest eine Weile kann ich mit ihr zusammen sein, doch sie plant, im nächsten Jahr als Austauschschülerin fortzugehen.
    Ich lutsche auf meinem Bonbon herum. Mein Vater summt ein Lied und trommelt mit den Fingerspitzen den Takt aufs Lenkrad. Fehlt nur noch, dass er fragt, ob wir gleich, wenn wir angekommen sind, noch zum See radeln wollen, um zu baden.
    Aber vielleicht werde ich es eines Tages sogar wieder tun? Ich weiß es nicht.
    Ich drehe mich zur vollgepackten Rückbank um und suche in den Kisten nach meinem Tagebuch. Es ist mein erstes und noch ganz leer. Während der Fahrt begnüge ich mich damit, es auf dem Schoß liegen zu haben. Mit dem Schreiben will ich beginnen, wenn wir in unserem neuen Leben angekommen sind.

Informationen zum Buch
    Ein Sommertag, der strahlend schön beginnt und nach dem doch nichts mehr ist, wie es war   – das ist der Tag, an dem Annikas Cousine Ginie verschwindet. Eben noch lagen die beiden am Baggersee in der Sonne, nun irrt Annika zusammen mit ihren Freunden durch den Gewitterregen auf der verzweifelten Suche nach Ginie, die nur mal kurz in die Büsche wollte. Was ist mit Ginie passiert? Hat ihr jemand etwas angetan? Mit der Anspannung wachsen die gegenseitigen Vorwürfe und bald steht ein ungeheurer Verdacht im Raum: Ist jemand aus der Clique schuld an Ginies Verschwinden?

Informationen zur Autorin
    Kristina Dunker
, 1973 in Dortmund
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher