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Sommergewitter

Sommergewitter

Titel: Sommergewitter
Autoren: Kristina Dunker
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noch in stickigen Flachbauten sitzen und schwitzen zu müssen.
    Auch wäre ich gern dabei gewesen, als meine Eltern unseren Besuch begrüßten und Ginie unser schnuckeliges backsteinrotes Häuschen zeigten. Stattdessen rutschte ich auf meinem klebrigen Plastikdrehstuhl im Biofachraum hin und her und ärgerte mich mit meiner besten Freundin Steffi über meine Mitschülerinnen, die meinten, unseren braun gebrannten Biolehrer kurz vor der Notenvergabe durch hautenge und extrem weit ausgeschnittene Fummel beeindrucken zu können. Yasminhatte sich sogar in ein lila Paillettenkleid gezwängt, kein Wunder, bei ihr ging es um die Schuljahresversetzung . . .
    »Leila macht geiler«, knurrte Steffi wütend. »Warum strenge ich Blöde mich eigentlich an und mache regelmäßig meine Hausaufgaben, wenn andere durch ein bisschen Wimperntusche-Auflegen und Busen-Zeigen auch zum Ziel kommen?«
    »Mach dir nichts draus, Steffi. Ich finde, Yasmin sieht aus wie die Wurst in der Pelle. Eine Wurst, deren Verfallsdatum abgelaufen ist, sie ist ja schon ganz lila.«
    Steffi stieß mich an und kicherte.
    »Wirklich«, sagte ich, »das Kleid passt ihr überhaupt nicht, betont viel zu sehr ihre Speckröllchen. Guck mal, man kann sie richtig zählen, fünf kleine Fleischwurströllchen.«
    Steffi fiel fast vom Stuhl vor Lachen. »Zeig da nicht so hin, Annika!«
    »Wieso denn nicht?« Ich musste auch lachen und fing mir natürlich einen bösen Blick von Yasmin ein, aber das war mir egal. Wie viele andere Mitschüler auch hielt sie mich wegen meiner guten Noten sowieso für eine Streberin oder zumindest für einen Menschen vom andern Stern. Oft genug hatten Yasmin und die anderen mich das spüren lassen und ich war froh, dass ich wenigstens Steffi in meiner Klasse hatte. Meine Freundin hatte das gleiche Problem wie ich, sie galt auch als »extrem uncool«: schlau, still, ungepierct, ohne älteren Freund mit Auto und zu allem Unglück auch noch Nichtraucherin.
    Ich sehnte mich wirklich nach den Ferien und ichfreute mich auf meine gleichaltrige Cousine Ginie. Zwar kannte ich Ginie so gut wie gar nicht, aber ich fand die Idee trotzdem toll, dass sie und mein Onkel demnächst zu uns ziehen wollten. Sie sollte den neu ausgebauten Dachboden bekommen, er die kleine Einliegerwohnung im Erdgeschoss, in der mein Opa bis zu seinem Tod im Winter gelebt hatte. Natürlich würde es enger werden in unserem Haus, aber bestimmt auch lustiger.
    Zumindest hoffte ich das. Sicher konnte ich mir nicht sein. Was, wenn Ginie mich genau wie Yasmin für eine Streberin hielt? Wenn sie es genau wie Yasmin gewohnt war, von einem älteren Freund mit getuntem Auto und leistungsstarker Stereoanlage von der Schule abgeholt zu werden, während Steffi und ich brav wie zwei Landeier auf unsere Dreigang-Hollandräder stiegen?
    Auf der Heimfahrt erzählte ich Steffi von meinen Hoffnungen und Ängsten. Steffi, Jonas und Rüdiger waren der Rahmen in meinem Leben. Unsere Viererfreundschaft war wie ein Glückskleeblatt, selten und wertvoll. Steffi versuchte mich sofort zu beruhigen, indem sie behauptete, meine Cousine müsse, da sie neu an unseren Ort zöge, ja erst mal froh sein, dass sie dort überhaupt jemanden kannte. Das war natürlich richtig, aber trotzdem wurde ich immer aufgeregter, je näher wir unserer Straße kamen, und als Steffi und ich uns vor dem Haus meiner Eltern verabschiedeten, hatte ich richtig Herzklopfen.
    »Ach komm, Annika, jetzt tu nicht so verzagt, sie wird dich ganz sicher mögen. Wir mögen dich doch schließlich auch!«, sagte Steffi, lachte und drückte michkurz. »Vielleicht sehen wir uns später? Ich bin auch neugierig auf die Neue!«
    Sie radelte davon, ich ging langsam die Auffahrt zum Haus hinauf. Die Kletterrosen an der Hauswand blühten, die alte getigerte Katze unserer Nachbarn kam, als sie mich sah, aus ihrem Schattenversteck unter einem Busch hervor und schnurrte mir um die Beine. Ich strich ihr kurz über das Fell, atmete tief ein und betrat das Haus.
    Meine Mutter hatte heute früh noch schnell einen Generalputz gemacht, ich sah es daran, dass die von ihr gemalten Bilder im Flur ausnahmsweise alle gerade an der Wand hingen. Dort, wo sich sonst ein Haufen von Schuhen knubbelte, stand eine fremde Reisetasche und auf der kleinen Kommode thronte ein großer Blumenstrauß. Der Zettelwust meines Vaters beim Telefon war verschwunden, ebenso die hitzegeschädigten Blumen, die meine Mutter vor einigen Tagen in die kühle Küche verfrachtet hatte und die
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