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Sommergewitter

Sommergewitter

Titel: Sommergewitter
Autoren: Kristina Dunker
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ein Bauklötzchen an den Kopf gedonnert hatte. Auch an ihre Mutter konnte ich mich nur schwach erinnern, sie war früh gestorben, damals waren Ginie und ich gerade vier Jahre alt gewesen. Ginie aber schien ihre gesamte Vergangenheit aus ihrem Kopf gestrichen zu haben oder sie fand es einfach albern und unter ihrer Würde, sich darüber zu amüsieren, wie ich als Achtjährige bei Opas Geburtstag unbedingt die Torte tragen wollte und sie dann prompt fallen ließ.
    Trotzdem fing ich an diesem Mittag an, Ginie zu mögen.
    Ihr sparsames Lächeln zeigte sie nur mir. Ihre Bitte, sich einen Hund aus dem Tierheim holen und halten zu dürfen, sobald sie hier wohnte, gefiel mir. Ihr Wunsch, ich solle ihr beim Aussuchen helfen, freute mich.
    Und auf meine Frage hin, an welche Rasse sie denn sogedacht habe, sagte sie: »Einen Rottweiler oder eine Dogge. Einen, der mindestens achtzig Zentimeter Schulterhöhe hat und der uns beschützen kann, wenn wir zwei hier abends durch die Pampa zur nächsten Disco gehen.«
    Ich fand das toll und konnte in dem Moment über das entsetzte Aufquieken meiner Mutter, die lieber Katzen hatte, nur grinsen.
    »So ein Riesenkalb kommt mir nicht ins Haus. Höchstens ein Collie. Für so einen Kampfhund brauchst du ja schon einen Waffenschein!«
    »Den brauchst du für meine Tochter auch, Katrin!«, scherzte mein Onkel und wir lachten alle, auch meine Mutter.
    Die irritierenden Wölkchen am Stimmungshimmel hatten sich wieder verzogen. Alles würde gut werden!
    Insgeheim hatte ich mir schon immer ein zweites Mädchen im Haus gewünscht. Jetzt malte ich mir aus, wie ich mit Ginie Kleider anprobieren, CDs tauschen und über Mitschüler lästern würde. Einen großen Hund? Discobesuche? Warum nicht?
    Nach dem Essen zeigte ich ihr mein Zimmer und den Dachboden, machte ihr Vorschläge, an welche Stelle sie ihren Schreibtisch und wohin sie ihr Bett stellen könnte.
    »Da fällt mir schon was ein, Annika, danke.«
    »Ich meine ja nur, Ginie, wenn ich den großen Boden hier hätte, ich würde es mir supergemütlich machen! Eine Couch mit bunten Kissen, einen Teetisch, ein richtiges Zuhause.«
    »Vielleicht lasse ich alles so kahl. Das sieht luftiger aus.«
    Ich nickte. Natürlich. Ich war mal wieder zu überschäumend gewesen. Verlegen blickte ich auf meine nackten Füße. Eine Freundin von Yasmin hatte mich mal einen »pummeligen Muttityp« genannt. Wahrscheinlich hatte sie recht damit.
    Aber wenn wir erst mal die Dogge haben würden . . .
    »Wenn ich Gemütlichkeit suche, komme ich zu dir runter, hier oben lasse ich es lieber so, wie’s ist. Das passt mehr zu mir.« Sie breitete die Arme aus und durchmaß das Zimmer mit ein paar Schritten. »Eine Tanzfläche wäre auch nicht schlecht. Der Holzboden ist gut dafür.«
    Ich lächelte unsicher. »Steffi und ich waren letztes Jahr in der Tanzschule. Hier gehen alle hin, es gibt nichts anderes. Aber du meinst bestimmt so richtig rockig-fetziges Jazz- oder Salsa-Tanzen? Das würde ich auch gern lernen, allerdings weiß ich nicht, ob ich Talent dazu hab. Und dazu dann so einen richtigen scharfen Fummel anziehen, ein Glitzerkleid oder so . . .« Irritiert über meine eigenen Worte brach ich ab und fügte schnell hinzu: ». . . aber das steht mir wahrscheinlich gar nicht.«
    »Och, wieso nicht?« Ginie sah mich neugierig an. »Wir könnten hier tolle Partys feiern.« Sie lächelte.
    »Was . . . äh . . . was hörst du für Musik?«, fragte ich, doch in dem Moment erklang unten die Türklingel. »Oh, meine Freunde!«, rief ich entschuldigend und lief, ohne auf sie zu warten, die Treppe hinunter.
     
    Jonas, Rüdiger und Steffi waren damals mit ihren Familien gleichzeitig mit uns in die Reihenhaussiedlung gezogen. Unsere Eltern gingen zusammen kegeln und zum Kanalfest, unsere Häuser waren gleich geschnittenund ähnelten sich bis in die Einrichtung. Die einzige Ausnahme war die, dass bei ihnen im Dachgeschoss ihre älteren Geschwister wohnten, während es bei uns bisher leer gestanden hatte und nun für meine Cousine hergerichtet worden war. Meine Freunde und ich kannten uns schon seit der Krabbelgruppe, hatten so gut wie alles zusammen erlebt, als Kinder eine Bande gegründet und uns mit den Größeren aus der Nachbarschaft angelegt, mit Feuereifer auf Baustellen gespielt, jeden Sommer im Garten gezeltet und später auch die ersten Ausflüge nach Münster gemeinsam unternommen. Ich vertraute ihnen voll und ganz.
    »Irgendwann werden wir bestimmt gemeinsam Hochzeit feiern,
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