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Sommergewitter

Sommergewitter

Titel: Sommergewitter
Autoren: Kristina Dunker
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los?«, fragte ich. Sie nickte und wir stiegen auf die Räder.

Freitag, 14   Uhr
    Wir fuhren die Landstraße entlang, die Pappeln warfen ihre wohltuenden Schatten auf die Straße, die Jungs fuhren voraus, trotz der Hitze in Wettkampflaune. Jonas strengte sich an, mit dem Mofa mitzuhalten, dann wechselten sie und Rüdiger fetzte auf Jonas’ Rad hinter der Maschine her. Manchmal hörten wir ihr Lachen und ihre Rufe, während Steffi und ich keuchend über eine längst fällige Diät redeten. Wobei es natürlich so war, dass Steffi diese Diät nicht nötig hatte und nur ein bisschen herumkokettierte, während ich . . . na ja. Ich hatte meine Figur noch nie besonders gut im Griff gehabt. Ginie schwieg, aber jedes Mal, wenn ich mich zu ihr umdrehte, lächelte sie wieder ein bisschen. Zuletzt bogen wir in die Kiefernschonung ein, hier war die Luft kühler und angenehmer, Steffi begann einen Sommerhit zu singen und ich fiel ein.
    Es war nicht das erste Mal, dass wir in diesem Sommer zum Baggerloch fuhren. Bei gutem Wetter und mit etwas Fantasie konnte man sich durch den weißen Sand und das blaue Wasser schon ein bisschen wie in der Südsee fühlen. Jonas hatte sogar mal eine große, aufblasbare Plastikkokospalme mitgebracht, die aber leider irgendwann kaputtgegangen war. Der Silbersee, so wurde er genannt, war als Badesee in der Gegend sehr beliebt.
    Zwar warnten überall halb verrostete Schilder vor den Gefahren, zwar gab es Zäune, die die Badegäste abhalten sollten, aber das hatte nie etwas genutzt und es kümmerte sich auch niemand mehr ernsthaft darum. Einmal, vor etlichen Jahren, war eine junge Frau im See ertrunken, aber das war lange her. Wir Freunde kannten uns aus, wir wussten, dass der fast kreisrunde, tiefblaue See, der beim Kiesabbau entstanden war und aussah wie das Einschlagloch eines Meteoriten, extrem steile Ufer hatte. Als Nichtschwimmer hatte man dort nichts verloren. Ich fragte Ginie nicht, ob sie schwimmen konnte. Es wäre mir peinlich gewesen, eine Sechzehnjährige so etwas zu fragen.
    Wir stellten die vier Räder und Rüdigers Mofa am Ende des Forstweges ab, schlossen sie mit einer Kette aneinander fest und stiegen danach durch die Zaunlücke. Unrat und Müll lagen rechts und links des Trampelpfades, benutzte Papiertaschentücher, leere Getränkedosen, Glasscherben.
    Steffi erzählte den Jungs, die in der Parallelklasse waren, laut von Yasmins gewagtem Paillettenkleid und beschrieb übertrieben die angeblich gierigen Blicke des Biolehrers. Jonas meinte, das Kleid habe Yasmin garnicht so schlecht gestanden, Steffi schnaubte, ich grübelte und Rüdiger murrte einfach, schöne Menschen hätten’s überall einfacher.
    Dann erreichten wir den Rand des lichten Kiefernwaldes und blickten hinunter auf den See.
    »Voilà, unser Silbersee!«, sagte Steffi, machte mit der Hand eine ausladende Bewegung und lächelte Ginie an. Die schwieg, kniff die Augen zusammen, ließ den Blick schweifen: über Fliegenschwärme, die sich wenige Meter seitlich vom Weg über menschliche Hinterlassenschaften hermachten, über die mit Unrat übersäten Sandberge, die Industrieanlagen, die den Horizont säumten, den blauen, bleischweren Himmel, der nun immer dunkler und bedrohlicher zu werden schien. Wahrscheinlich würde es gegen Abend ein Wärmegewitter geben.
    »Toll«, sagte sie, aber es klang eher wie: »Ach, du Scheiße.«
    »Na ja.« Steffi wandte sich ab.
    Die Jungs achteten nicht darauf, sondern begannen bereits, die Sandböschung hinunterzusteigen.
    »Besser als nichts«, verteidigte ich unseren Badeplatz knapp und stapfte demonstrativ hinter Jonas und Rüdiger her, wobei ich zu meinem Ärger nicht verhindern konnte, dass ich plötzlich alles mit dem gleichen kritischen Blick wie Ginie sah. Ja, jetzt störten sie mich auf einmal, die Berge von Müll, die trostlose Aussicht, die baumlose Mondlandschaft, die Blicke der Spanner, die mit diversen Männerzeitschriften und Fernrohr bewaffnet einsam auf ihren Handtüchern saßen, die Badehose zusammengefaltet neben sich. Ekel stieg in mir auf, derMayonnaisegeschmack kam mir unangenehm hoch. Dazu machte mir die Hitze zu schaffen. Ich musste mich regelrecht anstrengen, weiter den Sandhang hinunterzusteigen; meine Füße sackten ein, der Sand quoll in meine Leinenschuhe und mit ihm Bonbonpapierchen und Zigarettenkippen.
    »Natürlich ist das Wasser sauber«, hörte ich Steffi hinter mir sagen, »sonst dürfte man hier doch gar nicht schwimmen!«
    Man darf hier ja auch nicht
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