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Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Titel: Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
Autoren: Ulrike Schweikert
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Kapitel 1
    D ie Räder der Kutsche rumpelten den unebenen Karrenweg entlang und ließen das prächtige Gefährt von einer Seite auf die andere schwanken. Obwohl sie vierspännig fuhren, kam die Kutsche nur langsam voran.
    »Sind wir immer noch nicht da?«, stöhnte eine der beiden Frauen, die sich in der Kutsche auf den wohl gepolsterten Bänken gegenübersaßen. »Ich kann die Stunden nicht mehr zählen, die wir nun schon durchgerüttelt werden. Was ist das nur für ein Einfall, bei diesem Wetter solch eine lange Fahrt zu machen! Ich weiß zwar noch, dass eine Reise über die Landstraße eine arge Plage ist, nur hätte ich mir nicht träumen lassen, dass es in solch einer noblen Kutsche fast noch schlimmer ist, als zu Fuß über Stock und Stein zu gehen.«
    Die Miene der Frau gegenüber schwankte zwischen Ärger und Amüsement.
    »Urteilst du nicht ein wenig hart, liebe Jeanne? Vielleicht trügt dich da deine Erinnerung.«
    Jeanne wollte etwas erwidern, doch stattdessen stieß sie einen Schrei aus, als das linke Vorderrad unvermittelt in eine Mulde sackte und die Kutsche sich zur Seite neigte. Ihr Knie stieß hart gegen das ihrer Gefährtin, ehe sie das Gleichgewicht wiederfinden konnte und in ihre Ecke zurückrutschte.
    »Oh, das tut mir leid! Entschuldige, Elisabeth, das lag nicht in meiner Absicht.«
    »Ich weiß, Jeanne. Es ist nichts passiert«, beschwichtigte
sie die andere, auch wenn sie sich ihr Knie rieb und das Gesicht vor Schmerz verzog. Elisabeth schob den Vorhang beiseite und spähte hinaus.
    »Ich kann nur Bäume nach allen Seiten ausmachen, aber der Weg steigt nun immer steiler an. Ich denke, wir haben die Burg bald erreicht.«
    Als der Weg sich wieder abflachte, traten die Bäume zurück, und das späte Licht des Tages drang in die Kutsche. Elisabeth beugte sich ein wenig vor. Sie fuhren nun einen Höhenrücken entlang, dessen grasgrüne Oberfläche nur durch ein wenig Buschwerk unterbrochen wurde. Die Bäume, die hier früher einmal dicht an dicht in den Himmel geragt hatten, waren längst abgeschlagen worden. Einige der Baumstümpfe moderten noch vor sich hin.
    Es war nicht nur die Folge des Bedarfs der Burg an Bauholz und Brennmaterial. Man war stets darauf bedacht, gute Sicht auf das umliegende Gelände zu behalten und einem möglichen Feind jede Deckung zu nehmen.
    »Dort ist sie!«, rief Elisabeth und deutete nach vorn. »Ich kann den Bergfried sehen und die Ringmauer mit dem Torturm.«
    Jeanne drängte sich neben sie ans Fenster. Je näher sie kamen, desto mehr Einzelheiten konnten die Frauen ausmachen. Die Französin nickte anerkennend.
    »Das ist eine ordentliche Burg. Nicht so groß wie Unser Frauenberg, aber vielleicht ebenso gut gesichert. Sieh dir nur die beiden Ringmauern und die vielen Türme an.«
    Die beiden Bewaffneten, die bis dahin hinter der Kutsche hergeritten waren, überholten sie nun und sprengten davon, um ihre Ankunft zu melden, damit die Brücke herabgelassen und das Tor geöffnet sein würde, wenn die Kutsche ihr Ziel erreichte.
    »Ob es klug ist, dem Bischof eine solche Festung zu überlassen?« , fügte Jeanne nachdenklich hinzu.
    Elisabeth wiegte den Kopf. »Ja, ich weiß nicht, ob er den Palas bequem und geräumig genug findet.«
    Jeanne schnaubte undamenhaft durch die Nase. »Das habe ich nicht gemeint!«
    »Ich weiß, was du gemeint hast, aber ich möchte keine weiteren Verleumdungen gegen den Bischof hören. Er hat eingesehen, dass seine Regierung dem Land schadet, und übergab deshalb alle politischen Geschäfte dem Pfleger von Wertheim. Das ist eine großmütige Tat, Würzburg und den Marienberg zu verlassen und sich hier in den dichten Wäldern auf den Zabelstein zurückzuziehen.«
    »Ob das aus Einsicht herrührt? Ich dachte eher, das Kapitel und der fränkische Adel mussten ihn zu diesem Schritt zwingen«, murmelte das Kammermädchen.
    Elisabeth runzelte die Stirn. »Du scheinst zu vergessen, dass er mein Vater ist.«
    Jeanne lehnte sich wieder in die Polster der prächtigen Bischofskutsche zurück. »Nein, ich habe es nicht vergessen. Wie sollte ich? Müsste ich sonst nicht noch immer bei der Eselswirtin leben und den Männern Nacht für Nacht zu Diensten sein? Nur weil du seine Tochter bist, konntest du mich und Gret freikaufen.«
    Elisabeth legte ihre Hand auf das Knie der früheren Dirne. »Denk nicht zurück. Vergiss die Zeit am besten.«
    »Wie sollte ich?«, widersprach das Kammermädchen. »Kannst du einfach vergessen und den Träumen und Erinnerungen
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