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Sommer mit Nebenwirkungen

Sommer mit Nebenwirkungen

Titel: Sommer mit Nebenwirkungen
Autoren: Susanne Leinemann
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örtliche Bankdirektor, der Bürgermeister, sogar der Pfarrer. Ein solches Top-Hotel würde den Tourismus in der ganzen Region ankurbeln. Aber so einer wie Sie verpennt das alles. Sie sehen die Chancen einfach nicht. Was haben Sie denn Ihren Geschwistern zu bieten? Nur Verlust, Insolvenz, Untergang. Entschuldigen Sie meine Offenheit, aber so stehen die Dinge in Marienbrunn.«
    Philipp sah aus, als habe er einen Schlag in den Magen gekriegt. Er sackte leicht nach vorne. Was war das hier? Was passierte da gerade? Sophie, eben noch auf einer rosaroten Wolke, erwachte hart. Ohne auf Paul zu achten, ließ sie die Leiter fallen, drängte sich durch die Gruppe und zog Johann zur Seite, während die Familie die Köpfe zusammensteckte.
    »Was machst du hier?«, zischte sie scharf. »Was soll das?«
    »Ich schließe ein Geschäft ab. Ein ziemlich gutes sogar. Das ist mein Job, Sophie. Ich weiß doch, wie viel dir an dem Ort hier oben liegt. Deshalb helfe ich mit, ihn zu bewahren. Ich rette Marienbrunn aus der Vergangenheit und gebe der Sommerfrische eine Zukunft.« Die letzten Sätze klangen sarkastisch.
    Sophie betrachtete Johann, sie sah ihn plötzlich wie aus großer Distanz. Unter seiner scheinbar professionellen Oberfläche spürte sie seine Wut – sie hatte ihn betrogen, gedemütigt und verletzt. Sie analysierte ihn wie einen Kandidaten im Job, kühl und genau. Er schien jetzt auch zu merken, dass Sophie ihn anders ansah als sonst, und das schien ihn noch wütender zu machen.
    »Marienbrunn?«, fragte Sophie.
    »Geschäft«, antwortete Johann.
    »Familientradition?«, fragte Sophie.
    »Überbewertet«, kam sofort zurück.
    »Motivation?«, folgte nun Sophies Frage.
    »Rache«, sagte Johann ganz offen – und sein Blick sprach Bände.
    Wortassoziation, Sophie liebte sie. Eine alte, aber weiterhin bewährte Methode in der Psychologie, ganz einfach, aber oft effektiver als aufwendige Tests. Ein Wort gab das andere, und man drang damit in tiefe Schichten vor. Natürlich war der Hotelverkauf Johanns Rachefeldzug. Er wusste, Sophie hing an diesem Ort und hatte hier einen anderen Mann lieben gelernt. Deshalb wollte Johann ihn zerstören – auf seine ganz eigene, geschäftstüchtige Art. Sogar aus einer privaten Niederlage wollte er Gewinn schlagen.
    Sie machte eine Kopfbewegung zu der Moderatorin, die außer Hörweite stand.
    »Fernsehluder?«, fragte sie.
    »Heiß«, schleuderte Johann ihr entgegen.
    »Rotes Kleid?«, bohrte Sophie nun nach.
    »Mein Geschenk«, gab Johann patzig zurück. Tatsächlich, das Kleid war ein Geschenk von ihm an Sophie gewesen. Jetzt forderte er die Geschenke offenbar zurück. Vermutlich hatte er es mit der Moderatorin im Hotelzimmer wild getrieben, wer weiß, womöglich war dabei sogar ihre Kleidung zerrissen, und am Morgen hatte sie sich dann aus Sophies Kleiderschrank bedient. Einfach, um ein Zeichen zu setzen: Du bist gestern, jetzt bin ich dran. So ging es also auseinander, nach so langer Zeit. Obwohl Sophie noch vom Glück der letzten Nacht erfüllt war, machte es sie doch traurig. Wie hässlich diese Liebe endete. Das verdiente sie nicht.
    »Doodle?«, fragte sie leise.
    Johann zögerte einen Moment. Dann sagte er: »Durchgeknallt.«
    Durchgeknallt. So dachte er über sie. Plötzlich erkannte sie ganz klar, was ihn umtrieb – sein einziger Motor war die Arbeit. Die Frau an seiner Seite musste dauerhaft funktionstüchtig sein, wie er selbst. Deshalb würde er nie verstehen, warum sie diese ganze Babysache so umgehauen hatte. Ihr Motor hatte gestottert, damit war er nicht klargekommen. Und was hatte sie zum Stottern gebracht? Marienbrunn. Vielleicht wollte er diesen Ort nur funktionstüchtig machen, so wie er sie gerne weiterhin funktionstüchtig gehabt hätte. Was er dabei zerstörte, wollte er nicht sehen. Er hatte ja schon Ersatz für sie gefunden – und was für einen, feuerrot und heiß.
    »Schlüssel«, sagte nun Johann.
    Sophie schaute ihn überrascht an. Er drehte den Spieß um, oha, das hätte sie ihm nicht zugetraut. Nun spielte er den Psychologen, gab das Wort vor. Erstaunlich, womöglich unterschätzte sie ihn doch. Schlüssel? Damit konnte nur der Wohnungsschlüssel ihrer gemeinsamen Berliner Wohnung gemeint sein. Nein, sie wollte ihm da keine Probleme bereiten. Sie würde ausziehen. Ihre Sachen packen und gehen.
    »Hertha-BSC-Toaster«, antwortete Sophie also. Ob er den Wink verstand? Den Toaster hatte sie damals in die gemeinsame Wohnung mitgebracht – er toastete das
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