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1267 - Das chinesische Grauen

1267 - Das chinesische Grauen

Titel: 1267 - Das chinesische Grauen
Autoren: Jason Dark
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Diesmal war Shao darauf gefasst gewesen. Das hohe schrille Geräusch entging ihr nicht, und jetzt wusste sie auch, dass eine Frau geschrieen hatte, die sich ihrer Meinung nach in Gefahr befand.
    Die Frau mit der dicken Brille konnte nicht mehr widersprechen. Sie war erstarrt, und nur ihre Lippen zuckten. Shao sah auch die kleinen Schweißperlen auf der Stirn, und plötzlich hatte sie das Gefühl, die Gefahr riechen zu können.
    »Ich werde nachsehen!«
    Die chinesische Geschäftsfrau riss beide Hände hoch. »Bitte!« flüsterte sie, »bitte, tun Sie das nicht. Auf keinen Fall. Davon sollte man die Finger lassen.«
    »Genau das werde ich nicht tun.« Shao wusste, wie sie am schnellsten hinter die Verkaufstheke gelangte. Sie lief bis zum rechten Ende und hob dort ein Trennbrett hoch. Eine knappe Drehung, der schmale Gang lag vor ihr, aber die korpulente Frau mit der Brille versperrte ihr den Weg.
    »Tun Sie das nicht«, flüsterte sie flehend. »Ich bitte Sie. Es geht Sie nichts an,«
    »Irrtum. Es geht mich schon etwas an.« Shaos Stimme klang jetzt scharf. »Geben Sie den Weg frei!«
    »Nein, bitte, ich…«
    Shao machte kurzen Prozess. Hier ging es nicht um irgendwelche Banalitäten, hier musste eingegriffen werden, und das wollte sie tun. Die Frau wunderte sich über die Kraft ihrer Kundin, als sie plötzlich umfasst wurde. Die schnelle Drehung zur Seite erlebte sie wie einen Schwindel, und für die geschmeidige Chinesin Shao war der Weg frei.
    Sie schaute auf die Tür vor sich und sah von innen einen Schlüssel stecken. Den brauchte sie nicht erst zu drehen, denn die Tür war offen. Shao hörte hinter ihrem Rücken noch das Gejammer der Frau, um das sie sich nicht kümmerte. Sie übertrat die Schwelle und blieb schon nach einem Schritt stehen, denn sie hatte nicht damit gerechnet, dass es in diesem Raum so düster war.
    Es war in der Tat ein Lager. Ein recht großer Raum mit der Breite des Verkaufsladens. Sie sah nicht viel, weil alles zu sehr mit Waren vollgestopft war. Kisten und Kartons stapelten sich. Es roch nach Gewürzen und zugleich nach Bohnerwachs.
    Ich bin in einen Anbau hineingeraten!, dachte sie, aber man hatte vergessen, ihn ordentlich mit Fenster auszustatten, denn durch die beiden vorhandenen Luken drang kaum Licht. Die grauen Schleier konnte man vergessen.
    Shao hatte damit gerechnet, Geräusche zu hören, die entstehen, wenn sich ein Mensch wehrt, auch da wurde sie enttäuscht. Hier im Lager blieb es verdächtig still, und Shao traute diesem Frieden nicht.
    Sie blieb stehen, ohne sich zu bewegen und konzentrierte sich voll und ganz auf ihre Umgebung. Da musste doch etwas zu hören sein. Diese Stille empfand sie als unheimlich, und jetzt merkte sie auch bei sich, wie kleine Schweißtropfen auf der Stirn entstanden.
    Shao drehte ihren Kopf.
    Die Tür war nicht wieder zugefallen. Sie wurde offen gehalten von der Geschäftsfrau, deren Gesicht sich im Spalt abzeichnete und dessen Ausdruck jetzt von der reinen Angst bestimmt wurde. Sie zitterte und gab Shao ein Zeichen mit den Augen, sich doch wieder zurückzuziehen.
    Die Chinesin schüttelte nur den Kopf. Im Gegenzug machte sie eine Bewegung zur Tür hin, die der Frau bedeuten sollte, dass sie sich wieder zurückzog.
    Ob sie das Angebot annahm, wusste Shao nicht, denn sie hatte sich bereits wieder gedreht.
    Da vorn war etwas. Auch wenn sie es nicht sah, zwischen den Kisten und großen Kartons lauerte die Gefahr.
    Shao schaute auf ihre Füße. Zur weißen Hose trug sie flache Lauftreter mit Gummisohle. Damit konnte sie sich fast lautlos bewegen, falls nicht irgendwelche Gegenstände am Boden lagen, auf die sie trat. Das war hier bestimmt nicht der Fall, denn der Untergrund glänzte beinahe wie ein Spiegel.
    Im Halbdunkel fühlte sich Shao nicht wohl. Die Schatten boten die perfekte Deckung für irgendwelche Angreifer, die im Hinterhalt lauerten, und genau denen wollte die Chinesin nicht in die Finger fallen.
    Wichtig war das Licht.
    Vier Lampen zählte sie unter der Decke. Die beiden Schalter saßen auch nicht weit von ihr entfernt an der Wand, und sie erreichte sie mit einem Handgriff.
    Der kurze Klick und nichts geschah!
    Keine der vier Lampen wurde hell. Es gab hier keinen Strom. Man hatte ihn abgeschaltet.
    Shao spürte plötzlich eine Gänsehaut. Jetzt hätte sie noch die Chance für einen Rückzug gehabt, aber sie wäre nicht sie gewesen, wenn sie in diesem Moment gekniffen hätte. Shao wollte es durchziehen, denn dieser Schrei, über den sie
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