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Zur besonderen Verwendung

Zur besonderen Verwendung

Titel: Zur besonderen Verwendung
Autoren: K. H. Scheer
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1.
     
    Ich haß­te sie.
    Ich wuß­te nicht mehr, wer sie wa­ren. Ich kann­te auch ih­ren Na­men nicht mehr. Da­ge­gen fühl­te ich einen to­ben­den Schmerz, der mir, vom Schä­del aus­ge­hend, durch den Kör­per jag­te.
    Was hat­ten sie mit mir vor? Und – warum hat­ten sie mich fest­ge­schnallt?
    »Tol­tas­to­pin, schnell!« sag­te ei­ne der Ge­stal­ten, de­ren Ge­sicht hin­ter der wei­ßen Pro­nap-Ga­ze kaum er­kenn­bar war. Ich er­blick­te nur zwei Au­gen, die mir in dem ge­rif­fel­ten Spie­gel­glas des Re­flek­tors un­wirk­lich groß und mit­leid­los er­schie­nen.
    Ich fühl­te, daß ich end­gül­tig die Ge­walt über mei­nen Wil­len ver­lor. Ein un­bän­di­ger Haß flamm­te wie­der in mir auf. Ich ver­such­te, mich vom Tisch auf­zu­rich­ten – und fühl­te er­neut den star­ken Druck an mei­nen Hand­ge­len­ken und Ober­ar­men.
    Ich konn­te nichts tun. Zu fest ver­ban­den mich die brei­ten Schlau­fen mit dem wei­ßen Tisch, auf dem ich mich wie ein ge­quäl­tes Tier wand.
    Von da an wuß­te ich nicht mehr, was ge­sch­ah. Ich sah je­doch in dem Spie­gel über mir ein kon­tur­lo­ses, nicht­mensch­lich er­schei­nen­des Ge­bil­de, das nur an­nä­hernd aus Fleisch und Blut zu be­ste­hen schi­en. Grau­en über­fiel mich. Mir wur­de nicht be­wußt, daß ich mein ei­ge­nes Ge­sicht er­blick­te, in dem sich al­ler Haß und al­le Ver­zweif­lung aus­drück­ten, de­ren ein Mensch über­haupt fä­hig sein konn­te.
    Ich ge­bär­de­te mich wie ein Wahn­sin­ni­ger. Die Zehn­tel­se­kun­den wur­den für mich zu Ewig­kei­ten.
    Ich war nicht mehr Herr mei­ner ei­ge­nen Re­fle­xe. Ich war zu ei­nem Bün­del Mensch ge­wor­den, das je­de Ge­walt über sich ver­lo­ren hat­te; das nicht mehr er­kann­te, was tat­säch­lich mit ihm ge­sch­ah.
    Über mir – nein, hin­ter mir summ­te et­was. Ei­ner der Schat­ten for­der­te er­regt:
    »Ein­hun­dert­zehn Volt, nicht mehr. In kur­z­en In­ter­val­len.«
    Was woll­te der Schat­ten da­mit sa­gen? Ich ver­such­te dar­über nach­zu­den­ken, doch ich kam nicht mehr da­zu.
    Strom­stö­ße jag­ten durch mei­nen Kör­per. Mei­ne ver­krampf­te Mus­ku­la­tur ent­spann­te sich. Es tat weh, sehr weh so­gar. Mei­ne Schreie gin­gen in ein Wim­mern über. Mei­ne Au­gen starr­ten den Spie­gel­re­flek­tor an, der sich zu ei­nem rie­si­gen, bös­ar­tig leuch­ten­den Au­ge zu ver­grö­ßern schi­en.
    Die Schat­ten leg­ten mir Me­tall­klam­mern um die Ge­len­ke. Er­neut peitsch­ten Strom­stö­ße durch mei­nen Kör­per. Ich ver­hielt mich so ru­hig wie mög­lich und hoff­te in­brüns­tig auf ei­ne bal­di­ge Be­en­di­gung der Tor­tur.
    In mei­nem Ge­hirn ar­bei­te­te et­was. Ich hör­te es zi­schen, und plötz­lich war der to­ben­de Kopf­schmerz ver­schwun­den. Es stank ekel­er­re­gend. Mir wur­de übel. Ein an­de­rer Schat­ten im wei­ßen Kit­tel stach mir in den Arm. Et­was Flüs­si­ges rann durch mei­ne Adern, das mich wun­der­bar be­ru­hig­te.
    »Gott sei Dank«, hör­te ich ei­ne Stim­me er­leich­tert sa­gen. »Er rea­giert sehr rasch.«
    »Schal­ten Sie den Tra­fo ab, das ge­nügt«, ent­geg­ne­te ei­ne zwei­te Per­son mit ru­hi­ger Stim­me.
    Ich wur­de im­mer mü­der. Mei­ne Au­gen fie­len mir zu. Mein Wim­mern ver­stumm­te. Ich fühl­te noch, daß sie an mei­nem Schä­del ar­bei­te­ten. Et­was wur­de ge­gen mei­nen Kopf ge­preßt. Ei­ne eis­kal­te Mas­se rie­sel­te über mei­ne lin­ke Schlä­fe.
    Das war al­les was ich noch mit­be­kam, ehe ich in tie­fen Schlaf ver­sank. Mein letz­ter Ge­dan­ke war, daß sie viel­leicht doch nicht so bös­ar­tig wa­ren, wie ich an­ge­nom­men hat­te.
    Be­herr­schung in je­der La­ge war nur ei­ne der Küns­te al­ler Wei­sen. Ich wuß­te es. Man hat­te mich in mei­ner Ei­gen­schaft als GWA-Mann da­hin­ge­hend un­ter­wie­sen und ge­schult. Ich durf­te mei­ne Be­herr­schung un­ter kei­nen Um­stän­den ver­lie­ren. Warum hat­te ich es den­noch ge­tan? Mit dem Ge­dan­ken, viel­leicht et­was falsch ge­macht zu ha­ben, schlief ich ein.
     
     

2.
     
    Der Raum war groß, hell und gut durch­lüf­tet. Die Schie­be­fens­ter stan­den weit of­fen. Aus dem Park drang an­ge­neh­mer Blü­ten­duft zu mir
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