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223 - Die Sünden des Sohnes

223 - Die Sünden des Sohnes

Titel: 223 - Die Sünden des Sohnes
Autoren: Jo Zybell
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»Mon dieu«, flüsterte Prinz Victorius. Er deutete auf die Tote. »Mon dieu, Rönee – sie ist doch nicht wirklich…?« Ganz nahe trat er an den jungen Gardisten und an die Frau heran. Die Worte erstarben ihm auf den Lippen.
    Es war Tala, die Erste Leibgardistin des Kaisers. Ihre weit aufgerissenen Augen blickten ins Nichts, in ihrer Stirn klaffte ein großes, schwarz-rotes Loch. Der Gardist nickte, und ein Weinkrampf schüttelte seinen erschöpften Körper.
    »Tala, mon amour«, flüsterte Prinz Akfat. Er eilte zu Rönee, nahm ihm die Tote ab und trug sie zu einer Chaiselongue am Treppenaufgang. Behutsam, als wäre sie eine Vase aus chinesischem Porzellan, legte er die tote Frau dort ab. Er kniete vor ihr nieder und schluckte. Mit zitternden Händen strich er ihr das Haar aus der tödlichen Wunde. Wusste überhaupt jemand, wie sehr er diese Frau geliebt und begehrt hatte?
    »Das ist nicht wahr!« Yann Haggard, der Seher, schlug die Hände vors Gesicht. »Das ist einfach nicht wahr…!« Auch er hatte mehr für die kaiserliche Leibwächterin empfunden als nur reine Sympathie.
    Der Kaiser aber stand reglos und betrachtete die Tote mit ausdrucksloser Miene. Seine Kaumuskeln arbeiteten, sein Gesicht war wie aus weißem Marmor in diesen Sekunden. Ein paar Atemzüge lang sagte er kein Wort.
    Schließlich drehte er sich um, legte Rönee die Hand auf die Schulter und sah ihm in die nassen Augen. »Merci, mon brave guerrier.« Der weinende Gardist senkte den Blick und antwortete nicht. De Rozier ging zu Lysambwe, wiederholte Geste und Dank und schritt dann zum offenen Palastportal. Er bewegte sich wie ein Mann, der eine Zentnerlast zu schleppen hatte. Am Portal lehnte er gegen den geschlossenen Türflügel und lauschte hinaus in die Dunkelheit.
    Seit zwei Stunden herrschte Ruhe diesseits und jenseits der kreisrunden Grenze von Wimereux-à-l’Hauteur. Es war die Ruhe vor dem Sturm.
    Die erste Angriffswelle des feindlichen Heeres unter Maddrax’ Sohn Daa’tan hatten die kaiserlichen Truppen zurückschlagen können. Unter hohen Verlusten – über fünfzig Soldaten der Bodenpatrouillen und Geschützbatterien im Wald und in der Rodung unter der Wolkenstadt hatten die Krieger der Huutsi getötet oder gefangen genommen. Außerhalb der Stadt gab es praktisch keine Verteidigungsstellungen mehr.
    Achtzehn kaiserliche Soldaten waren beim ersten Ansturm des Feindes auf die Stadt gefallen. Unter ihnen Tala, die Erste Leibwächterin des Kaisers. Mit eigenen Augen hatte de Rozier sie sterben sehen.
    Schmerzhaft erinnerte sich de Rozier. Daa’tans Vorhut hatte in der Abenddämmerung den Rand der notgelandeten Stadt erstiegen. Am Gestrüpp, das dieser Pflanzenmagier aus dem Boden und dem tragenden Grundgerüst der Wolkenstadt hatte wuchern lassen, waren sie herauf geklettert.
    Pilatre de Rozier hatte sich in Dornenranken verfangen und war gestürzt. Tala, die ihn begleitete, hatte die Ranken mit ihren Säbel zerhauen und einen der Angreifer, der schon zum tödlichen Schuss auf den Kaiser angelegt hatte, im letzten Moment getötet. Dann hatte sie ihren Herrn und Kaiser gedrängt, sich zurückzuziehen; sie selbst hielt die Stellung.
    Schon außer Sichtweite, hatte de Rozier einen Schuss gehört. Aber die vorrückenden Feinde hatten es unmöglich gemacht, nach Tala zu sehen. Zwei Stunden lang kämpften die Gardisten mit dem Mut der Verzweiflung, bis sie die Angreifer endlich zurückgedrängt hatten – und die Leiche Talas bergen konnten.
    Bis zum Schluss hatten alle gehofft, sie könnte noch leben.
    Vier Stunden nach Mitternacht war es inzwischen. Das feindliche Heer – etwa tausend Krieger – hatte Wimereux-à-l’Hauteur eingekesselt. Es war eine Frage der Zeit, bis ihr Anführer zum Sturm auf die Stadt blasen würde. De Rozier rechnete spätestens bei Sonnenaufgang mit dem Angriff. Seine noch knapp hundert Soldaten auf den Wällen waren bereit.
    Hinter sich hörte der Kaiser die Männer leise miteinander reden. Hier und da drangen auch Stimmen aus der nächtlichen Stadt. De Rozier hatte seine Ingenieure und Techniker beauftragt, die drei Stabilisierungsballons und die beiden Stabilisierungspropeller zu reparieren, die ein feindlicher Stoßtrupp zerstört hatte.
    Zwei Feinden war es tatsächlich gelungen, in die Stadt einzudringen: Daa’tans Generalfeldmarschall Mombassa und dem unheimlichen Echsenartigen. Den Namen des Feldmarschalls kannte de Rozier von den Boten der Königin Elloa. Den Echsenartigen und seine Gattung hatte ihm
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