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223 - Die Sünden des Sohnes

223 - Die Sünden des Sohnes

Titel: 223 - Die Sünden des Sohnes
Autoren: Jo Zybell
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Gekreische von Affen hörte man schon. Dunstschleier hingen im Unterholz. Unter tausend Stiefelpaaren und Tsebrahufen raschelte das Laub und splitterte Geäst. Das Heer der Huutsi und Wawaa formierte sich zum Angriff.
    »Ob es eine gute Idee ist, in der ersten Angriffswelle zu reiten?«, raunte Bantu seinem König zu. Der Oberste dachte mit Grausen an die Berichte der Dampfbaikfahrer aus der Vorhut: Ohne auf die Hauptstreitmacht zu warten, hatte der junge König mit nur zwanzig Kriegern den nördlichen Stadtrand gestürmt, weil er dort den Kaiser zu sehen geglaubt hatte. Nur fünf Angreifer außer König Daa’tan hatten diesen tollkühnen Vorstoß überlebt.
    »Es ist meine Idee, also ist es eine gute Idee!« Daa’tan setzte den rechten Stiefel in den Steigbügel des Efranten. Er trug einen schwarzen Lederharnisch, einen schwarzen Helm mit Büffelhörnern und einen roten Umhang. »Ich will die Stadt haben! Ich will sie haben, bevor die Sonne im Zenit steht!« Er kletterte auf den Dickhäuter.
    »Ohne König wird die Stadt schwer zu halten sein, wenn die kaiserlichen Truppen von den anderen Wolkenstädten anrücken«, sagte Mongoo in weinerlichem Tonfall. Tautropfen glänzten in der bunten Pfauenfederkrone auf seinem Kopf. »Ich mein ja nur…«
    »Was willst du damit sagen?«, zischte Daa’tan. Von der Schulter des Efranten aus blitzte er den Obersten an.
    »Es ist… ähm… es ist gefährlich… glaube ich…« Mongoo zuckte mit den Schultern. »Ich mach mir nur Sorgen um dich, mein König, ich mein ja nur…«
    »Bist du denn der Einzige, der noch nicht weiß, dass ich unbesiegbar bin?« Daa’tan langte hinter sich und klopfte auf den Knauf seines Schwertes. Er trug Nuntimor in einer Rückenscheide unter seinem roten Umhang. »Keine Sorge, Oberst Mongoo, mich tötet keiner! Ich aber werde viele töten!«
    Weder Bantu noch Mongoo antworteten ein Wort. Geradezu ehrfürchtig blickten sie zu ihrem jungen König hinauf. Der scheuchte sie mit einer knappen Kopfbewegung davon. »Sammelt eure Krieger zum Angriff!« Die Obersten machten kehrt und rannten zu ihrer Truppe an der Nordseite der Stadt.
    Daa’tan kletterte auf den Efranten und setzte sich in den zweiten Sattel des Kolosses. Das Rüsseltier war eines von zwanzig im Heer der Huutsi. Vor dem jungen König, im Nackensattel, nahm ein kräftig gebauter Krieger mit einem großen Schild Platz, der Efrantenreiter. Im Osten über dem See färbte der aufdämmernde Morgen den Himmel milchig rot. Nicht mehr lange, und die Sonne würde aufgehen. Sie würde an diesem Tag nicht untergehen, ohne den neuen Herrscher der Kaiserhauptstadt beschienen zu haben, davon war Daa’tan fest überzeugt.
    Er griff zum Futteral an seiner rechten Hüfte und zog einen kaum unterarmlangen und zur Spitze hin keulenartig verdickten schwarzen Stab heraus. Dass es sich um einen Kombacter handelte, eine mächtige marsianische Waffe, wusste Daa’tan nicht; woher auch? Er hatte ihn bei den Kämpfen am Uluru im Sand gefunden, wo Rulfan, der Vertraute seines verhassten Vaters, ihn verloren hatte. Daa’tan benutzte den metallisch schwarzen Stab als Hoheitssymbol, höchstens noch als einen Schlagstock.
    Nun reckte er das Zepter in die Luft und blickte nach rechts und links. Dreihundert Krieger hatten sich hier an der Ostseite der abgestürzten Wolkenstadt versammelt. Zu kleinen Kampfverbänden hatten sie sich rechts und links ihres Königs formiert, einige auf Dampfbaiks, viele auf Tsebras, andere zu Fuß.
    An der Nordseite würden Bantu und Mongoo mit zweihundert Kriegern angreifen, im Süden wartete die einäugige Wawaakriegerin Banta mit zweihundert Mann auf das Zeichen zum Losschlagen, und von Westen her würde General Sango mit dreihundert Huutsi den Sturm auf Wimereux-à-l’Hauteur führen.
    Daa’tan reckte das Zepter gegen die etwa vierhundert Meter entfernt im ersten Morgendunst liegende Stadt. Die ganze Nacht über hatte er Bäume und Dornenranken an ihren fünfzehn Meter hohen Wällen empor wuchern lassen. Auch den Bambus, aus dem die Raumgitterkonstruktion um ihren Trägerballon gebaut war, hatte er ausschlagen lassen. Die Wolkenstadt war überreif. Wie eine schwere, süße Frucht würde sie in seine Hand fallen.
    »Attacke!«, brüllte er. Eine Ansprache ersparte er sich, obwohl er in den letzten Wochen und Monaten mit Mombassas Hilfe das Idiom der Huutsi recht gut gelernt hatte.
    Der Dickhäuter setzte sich in Bewegung. Hufschlag und Kampfgeschrei ertönte, die Kavalleristen auf den
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