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Die vergessenen Schwestern (Hackenholts erster Fall) (German Edition)

Die vergessenen Schwestern (Hackenholts erster Fall) (German Edition)

Titel: Die vergessenen Schwestern (Hackenholts erster Fall) (German Edition)
Autoren: Stefanie Mohr
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1
     
    Es war spät in der Nacht oder früh am Morgen – je nachdem, wie man es betrachtete. Die Kneipe im Fürther Stadtpark hatte längst geschlossen, und er musste sich jetzt wohl oder übel auf den Weg zu seinem Motorrad machen.
    Auch heute war es ein schöner Abend gewesen. Sicher einer der letzten, die man draußen verbringen konnte, wenn man sich mit der entsprechenden Kleidung gegen die kühlen Temperaturen wappnete. Andererseits waren die Tische im Biergarten mit Heizstrahlern ausgestattet, sodass es selbst dann nicht allzu kalt wurde, wenn man längere Zeit stillsaß.
    Wie jeden Freitag hatte er es genossen, sich mit seinen Kumpels zu treffen, in deren Kreis er einen festen Platz innehatte. Alle lagen auf derselben Wellenlänge, waren unkompliziert und weltoffen. Wenn er etwas auf den Tod nicht ausstehen konnte, waren es kleingeistige Leute, die alles kompliziert machten.
     
    Unterdessen war er am Parkeingang bei seinem Motorrad angekommen. Sicherheitshalber entschied er sich auch heute wieder, die kleinen Nebenstraßen zu nehmen. Er wusste nicht genau, wie viel er getrunken hatte – aber es war wesentlich mehr, als dass er einer Polizeistreife begegnen durfte.
    Vor drei Jahren hatte er seinen Führerschein schon einmal abgeben müssen. Das sollte nicht noch einmal passieren, auch, wenn er ihn derzeit nicht so dringend brauchte wie damals: Er war arbeitslos. Natürlich beabsichtigte er nicht, das zu einem Dauerzustand werden zu lassen, aber fürs Erste sollte Vater Staat ihm ruhig mal eine kleine Auszeit finanzieren. Danach wollte er weitersehen. Vielleicht machte er sich doch selbständig, schließlich war er ein gewiefter Programmierer, der einiges auf dem Kasten hatte. Und er fühlte sich bei weitem nicht zu alt für den Job, obwohl er schon auf der falschen Seite der Vierzig stand.
     
    Zu Hause angekommen stieß er die Gartentür so energisch auf, dass sie geräuschvoll gegen den Pfeiler knallte, bevor er knatternd den schmalen Gartenweg entlangfuhr. Seit jeher parkte er seine Maschine im hauseigenen Fahrradunterstand. Das wollte ihm die Kuh aus dem Erdgeschoss neuerdings vermiesen: Er solle seinen Hobel gefälligst auf den öffentlichen Parkplätzen abstellen! Ja, wer war er denn? Aus blankem Unmut ließ er das Motorrad noch einmal aufheulen, dann erst schaltete er Licht und Motor aus.
    Während er zur Haustür ging, nahm er den Helm ab. Um seine Frisur musste er sich keine Gedanken machen, da er das, was von seiner ehemals dunklen Haarpracht noch übrig war, auf genau fünf Millimeter getrimmt hielt. In seinen Augen ließ ihn das männlicher und zusammen mit seiner Brille auch viel intellektueller aussehen.
    Er sperrte die schwere Eichentür des über hundertjährigen Jugendstilhauses auf und drückte den Lichtschalter. Dann stieg er gemessenen Schrittes leicht schwankend die Stufen zu seiner Wohnung im zweiten Stock hinauf. Ganz so sicher war er also doch nicht mehr auf den Beinen. In sich hineingrinsend beschloss er, den Abend mit einem weiteren Bier vor dem Fernseher zu beenden – er konnte ja ausschlafen.
    Das war der letzte klare Gedanke, den er fasste. Im nächsten Moment zog es ihm die Füße weg. Er stürzte vornüber, die Hand in der Jackentasche um seinen Wohnungsschlüssel gekrampft. Ein plötzlicher, stechender Schmerz auf Höhe der Schläfe durchzuckte seinen Kopf, als sein Körper auf die alten, ausgetretenen Eichenstufen schlug. Augenblicklich senkte sich eine rabenschwarze Dunkelheit auf ihn herab, die er nicht mehr verlassen sollte.

2
     
    Frank Hackenholt war seit drei Jahren als Erster Kriminalhauptkommissar und stellvertretender Leiter vom K 11 bei der Kripo Nürnberg tätig. Durch seine ruhige und ausgeglichene Art hatte er in der Zeit viel Sympathie bei seinen Kollegen gewonnen.
    An diesem Abend war er seit geraumer Zeit mal wieder bei seinem Chef, Kriminaldirektor Möllenhäußer, zum Abendessen eingeladen. Rund zwei Mal im Jahr sprach Frau Möllenhäußer Einladungen an die Mitarbeiter ihres Mannes aus. Während Hackenholts fünf Jahre jüngerer Kollege Ralph Wünnenberg an den Abenden immer eine besondere Anziehungskraft auf Fettnäpfchen ausübte, genoss der Hauptkommissar das vorzügliche Menü. Allerdings hatte er sich in der Vergangenheit schon mehrfach gefragt, wie die Gestgeberin das alles schaffte, da sie immer nur für kurze Zeit in der Küche verschwand.
    Wenn er selbst etwas kochte – was nur gelegentlich vorkam – erschien es ihm immer so, als stehe er
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