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Sommer mit Nebenwirkungen

Sommer mit Nebenwirkungen

Titel: Sommer mit Nebenwirkungen
Autoren: Susanne Leinemann
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bleibt, aber wir bringen das Hotel damit auf den neuesten Stand: Das Besteck ist dann kratzfest, spülmaschinentauglich und …« – Johann grinste vertraulich in die Runde – »… nebenbei gesagt, auch vor Diebstahl geschützt.«
    Er übergab das Besteck der Moderatorin, die nun wie eine Assistentin in einer Gameshow wirkte. Sie lächelte ihr reizendes Fernsehlächeln. Sophie musste zugeben, sie war ein hübsches Accessoire.
    »Warum ich Ihnen das erzähle? Weil ich Ihnen an diesem Detail klarmachen will, wie es um das alte Sanatorium Ihrer Eltern steht: nicht gut. Gar nicht gut. In manchen Bereichen sogar ziemlich finster. Bei meinem Rundgang habe ich Löcher in Bettbezügen gefunden, das Parkett knarzt so laut, dass man nachts wach wird, und über den Zustand des Daches will ich gar nicht erst reden. Ihr Bruder hat den alten Kasten zwar flugs in ein Hotel umgewandelt, aber vom Standard eines hochpreisigen Leading Hotel of the World ist man noch Lichtjahre entfernt. Deshalb …«
    Seine Zuhörer schienen nicht gut mitzukommen – Besteck, Bettdecken, Leading Hotel? Worüber redete der Mann? Offenbar schaute Johann in ratlose Gesichter. Also holte er zur großen Geste aus. Die Moderatorin strahlte, sie konnte sich tatsächlich noch heller knipsen.
    »Liebe Familie von Studnitz, ich weiß nicht, ob Ihnen bewusst ist, was Sie hier haben: ein Kleinod. Das Haus, die Lage, die Kirchen hier. Dies ist ein ganz besonderer Ort. Daraus kann man etwas ganz Großes machen. Aber Ihr Prachtstück verkommt. Die Sommerfrische braucht Geld, viel Geld, damit sie in altem Glanz erstrahlen kann. Der Name von Studnitz soll selbstverständlich mit dem Haus eng verbunden bleiben. Ein solcher Name schafft Credibility, das gibt der Anlage eine ganz persönliche Note. Eine echte Familiengeschichte ist unbezahlbar. Aber Name und Lage allein reichen heute nicht mehr. Die Hotelstandards von heute sind hart, und so, wie Ihr Haus jetzt dasteht, sind Sie nicht konkurrenzfähig. Man muss investieren. Was Sie brauchen, ist ein guter Investor.«
    Ein schluffiger Kerl, unverkennbar Philipps Bruder, meldete sich zu Wort. »Was für einen Investor?«
    Johann kreuzte Zeige- und Mittelfinger, sodass sie sich aneinanderschmiegten. »Ich bin ganz eng mit ein paar chinesischen Investoren. Die suchen genau solche Objekte in Europa. Man könnte mit ihnen eine behutsame Renovierung vereinbaren, einen sensiblen Mix zwischen Alt und Neu, damit das Authentische des Ortes nicht zerstört wird. Ein Facelift, das Aussehen bleibt, nur wirkt der Ort frischer, moderner. Dazu natürlich die Anbindung ans 21. Jahrhundert: eine Straße direkt bis vor das Hotel, Internet-Zugang, eine kultivierte Parkanlage, ein neuer Spa-Bereich …«
    Alle starrten Johann an. Nur die Moderatorin lächelte unerschütterlich.
    »Das bedarf großer Geldmengen, ich weiß – aber nur so kann das Hotel auf Dauer international mithalten.«
    »Und die Chinesen haben …«, begann eine in Loden gekleidete Frau vorsichtig.
    »Geld! Die Chinesen haben viel Geld«, mischte sich nun die Moderatorin ein. »Die schwimmen im Geld.«
    Alle standen betreten und etwas überfordert herum. Johann merkte, dass seine Ansprache noch nicht ausgereicht hatte, um die Geschwister zu überzeugen. Also legte er einen höheren Gang ein.
    »Reden wir Klartext: Ihr Bruder Philipp führt dieses Hotel über kurz oder lang der Insolvenz entgegen. Als Erbengemeinschaft würden Sie im Insolvenzstrudel untergehen, denn Sie alle sind haftbar. Mein dringender Rat lautet: Retten Sie sich, bevor es zu spät ist! Und mit Gewinn!«
    »Ach, ich weiß nicht«, sagte jetzt der schluffige Bruder zögernd.
    »Ich hole einen wirklich guten Preis für Sie alle raus. Keine Sorge. Wir reden über mehrere Millionen Euro. Bei einer Zwangsversteigerung dagegen können Sie froh sein, wenn Sie mit einem blauen Auge davonkommen. Im schlimmsten Falle zahlen Sie für die Fehler Ihres planlosen Bruders.«
    Jetzt wurde es Philipp von Studnitz, der zuvor in eine Art Angststarre verfallen war, zu bunt. »Was soll denn dieses dauernde Gerede über Insolvenz?«, brauste er auf. Aber es wirkte halbherzig, fand Sophie.
    Johann nahm ihn scharf ins Visier. »Studnitz, Sie wissen genau, wovon ich rede. Ich habe einen Blick in Ihre Kreditunterlagen geworfen – Ihnen steht das Wasser bis zum Hals! Warum ich da rankam? Weil man in der Gemeinde von meinen Investoren überzeugt ist. Die Chinesen kaufen sich ein, ein Traum! Alle stehen hinter mir – der
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