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Solange es hell ist

Solange es hell ist

Titel: Solange es hell ist
Autoren: Agatha Christie
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sei: »Ich gewöhnte mich immer mehr an diesen Zeitvertreib. Wenn ein leerer Tag vor mir lag – nicht viel zu tun war –, dann dachte ich mir eine Geschichte aus. Diese hatte immer ein trauriges Ende und gelegentlich eine sehr erhabene moralische Gesinnung.« Ein wichtiger Ansporn in diesen frühen Jahren war ein Nachbar aus Dartmoor, Eden Phillpotts, ein bekannter Romancier und enger Freund der Familie, der Christie – Agatha Miller, wie sie damals hieß – bei ihren Geschichten beriet und Schriftsteller empfahl, deren Stil und Sprache ihr weitere Anregungen liefern sollten. In späteren Jahren, als ihr eigener Ruhm den seinen längst übertroffen hatte, schilderte Christie, in welch hohem Maße Phillpotts das Feingefühl und das Verständnis gezeigt hatte, die so wichtig sind, um das Selbstvertrauen eines jungen Schriftstellers zu stärken: »Ich bewundere das Einfühlungsvermögen, mit dem er nur Ermutigung gab und sich jeder Kritik enthielt.« Als Phillpotts 1960 starb, schrieb sie: »Für das Wohlwollen, das er mir als jungem Mädchen erwies, das eben erst zu schreiben begonnen hatte, kann ich nie dankbar genug sein.«

Die Schauspielerin
    The Actress
     
    D er schäbig gekleidete Mann in der hintersten Reihe des Zuschauerraums beugte sich vor und starrte ungläubig auf die Bühne. Seine verschlagenen Augen verengten sich hinterlistig.
    »Nancy Taylor!«, murmelte er. »Bei Gott, die kleine Nancy Taylor!«
    Sein Blick fiel auf das Programmheft in seiner Hand. Einer der Namen war in etwas größeren Buchstaben gedruckt als die anderen.
    »Olga Stormer! So nennst du dich jetzt also! Hält sich wohl für einen Star, die Dame, was? Verdienst bestimmt eine schöne Stange Geld. Hast wohl ganz vergessen, dass du mal Nancy Taylor geheißen hast. Ich wüsste zu gern, was du sagen würdest, falls Jake Levitt dich daran erinnern sollte.«
    Der Vorhang fiel nach dem Ende des ersten Aktes. Im Zuschauerraum erhob sich begeisterter Applaus. Olga Stormer, die große Charakterdarstellerin, deren Name binnen weniger Jahre zu einem festen Begriff geworden war, fügte der Liste ihrer Erfolge als Cora in Der Rachee n gel einen weiteren Triumph hinzu.
    Jake Levitt stimmte nicht in den Beifall ein, aber sein Mund verzog sich langsam zu einem bedächtigen, anerkennenden Grinsen. Himmel, was für ein Zufall! Und das gerade jetzt, wo er völlig abgebrannt war. Sie würde natürlich versuchen, sich herauszureden, aber ihn konnte sie nicht hinters Licht führen. Richtig angepackt, war die Sache eine Goldgrube!
     
    Am darauffolgenden Morgen hatte Jake Levitts Arbeit an seiner Goldgrube erste Auswirkungen. In ihrem Salon mit den roten Schleiflackmöbeln und den schwarzen Vorhängen las Olga Stormer wieder und wieder nachdenklich einen Brief. Ihr blasses Gesicht mit den ungemein ausdrucksvollen Zügen war etwas starrer als sonst, und von Zeit zu Zeit blickten die graugrünen Augen unter den ebenmäßigen Brauen unverwandt ins Leere, als dächte sie nicht über die eigentlichen Worte des Briefes nach, sondern vielmehr über die Drohung, die dahintersteckte.
    Mit ihrer wunderbaren Stimme, die vor Gefühlswallung beben oder so hart wie das Klappern einer Schreibmaschine sein konnte, rief Olga: »Miss Jones!«
    Eine adrette junge Frau mit Brille, in der Hand Stenoblock und Bleistift, kam ins Zimmer geeilt.
    »Rufen Sie bitte Mr Danahan an und ersuchen Sie ihn, unverzüglich herzukommen!«
    Syd Danahan, Olga Stormers Manager, trat mit der üblichen Besorgnis eines Mannes ein, der sein Leben damit zubringt, eine kapriziöse Künstlerin bei Laune und bei der Stange zu halten. Zureden, beschwichtigen, antreiben, abwechselnd oder alles gleichzeitig, gehörten bei ihm zur täglichen Routine. Zu seiner Erleichterung machte Olga einen ruhigen und gefassten Eindruck und schob ihm lediglich ein Blatt Papier über den Tisch zu.
    »Lesen Sie das.«
    Der Brief war in einer ungelenken Schrift auf billiges Papier gekritzelt.
     
    Sehr geehrte gnädige Frau 1 .
    Ihr Auftritt gestern Abend in Der Racheengel hat mich sehr beeindruckt. Ich glaube, dass wir eine gemeinsame Bekannte h a ben, nä m lich Miss Nancy Taylor, vormals Chicago. Es soll ein Artikel über sie erscheinen. Falls Sie selbigen zu erörtern wü n schen, könnte ich Sie zu jeder Ihnen genehmen Zeit aufsuchen.
     
    Ihr sehr ergebener
    Jake Levitt
     
    Danahan schien etwas verdutzt zu sein.
    »Ich verstehe nicht ganz. Wer ist diese Nancy Taylor?«
    »Ein junges Mädchen, das besser tot wäre,
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