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Solange es hell ist

Solange es hell ist

Titel: Solange es hell ist
Autoren: Agatha Christie
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losratterte. Nach einem Blick auf ihre Armbanduhr machte sie sich langsam auf den Weg zu dem verabredeten Treffpunkt.
    Das Café war um diese Zeit menschenleer. Sie nahmen an einem Tischchen Platz und bestellten den unvermeidlichen Tee, den man im südlichen Afrika zu jeder Tages- und Nachtzeit trinkt. Keiner von ihnen sagte etwas, bis die Kellnerin die Bestellung gebracht und sich hinter einem rosa Vorhang in ihr Kämmerchen verzogen hatte. Dann erst blickte Deirdre auf, und sie erschrak über die gespannte Wachsamkeit, die in Tims Augen lag.
    »Deirdre, hast du es ihm gesagt?«
    Sie schüttelte den Kopf, feuchtete sich die Lippen an und suchte nach Worten, die nicht kommen wollten.
    »Warum nicht?«
    »Es war keine Gelegenheit dazu; ich hatte noch keine Zeit.«
    Die Worte klangen selbst in ihren eigenen Ohren stockend und wenig überzeugend.
    »Das ist nicht der wahre Grund. Da ist noch etwas anderes. Ich habe es schon gestern vermutet. Heute bin ich mir dessen sicher. Deirdre, was ist los?«
    Sie schüttelte stumm den Kopf.
    »Es gibt irgendeinen Grund, weshalb du George Crozier nicht verlassen willst, weshalb du nicht zu mir zurückkommen willst. Was ist es?«
    Er hatte Recht. Noch während er sprach, kannte sie den wahren Grund, kannte ihn, von brennender Scham erfüllt, kannte ihn so genau, dass jeder Zweifel ausgeschlossen war. Und noch immer sahen Tims Augen sie forschend an.
    »Du liebst ihn doch nicht! Nein, es muss etwas anderes sein.«
    Sie dachte: »Gleich wird es ihm wie Schuppen von den Augen fallen! O lieber Gott, nur das nicht!«
    Plötzlich wurde sein Gesicht aschfahl.
    »Deirdre – ist es – bekommst du ein – Kind?«
    Schlagartig erkannte sie die Chance, die sich ihr bot. Ein wunderbarer Ausweg! Langsam, fast gegen ihren eigenen Willen, neigte sie den Kopf.
    Sie hörte seinen schnellen Atem, dann seine Stimme, ziemlich hoch und hart:
    »Das ändert natürlich alles. Das wusste ich nicht. Wir werden einen anderen Weg finden müssen.« Er beugte sich über den Tisch und ergriff ihre Hände. »Deirdre, mein Liebling, du darfst nie, nicht einmal im Traum denken, dass es deine Schuld ist. Vergiss das nicht, was immer auch geschieht. Ich hätte dich zurückfordern müssen, als ich nach England kam. Damals war ich zu feige dazu, und darum ist es jetzt an mir, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um die Sache wieder in Ordnung zu bringen. Verstehst du das? Was immer auch passiert, sorge dich nicht, mein Liebling. Es war alles nicht deine Schuld.«
    Er nahm ihre Hände und hob sie, eine nach der anderen, an seine Lippen. Dann war sie allein, den Blick auf den unangerührten Tee geheftet. Doch merkwürdigerweise sah sie dabei nur eines – einen kitschig illuminierten Text an einer weißgetünchten Wand. Die Worte schienen ihr entgegenzuspringen und sich auf sie zu stürzen. »Was hülfe es dem Menschen…«
    Sie stand auf, bezahlte ihren Tee und ging.
    Als George Crozier zurückkam, wurde ihm ausgerichtet, dass seine Frau nicht gestört werden wolle. Sie hatte, wie die Zofe sagte, starke Kopfschmerzen.
    Gegen neun Uhr am nächsten Morgen betrat er mit ernster Miene ihr Schlafzimmer. Deirdre saß aufrecht im Bett. Sie sah blass und abgespannt aus, doch ihre Augen leuchteten.
    »George, ich muss dir etwas mitteilen, etwas ziemlich Schlimmes – «
    Er unterbrach sie schroff.
    »Du weißt es also schon. Ich hatte Angst, es würde dich aufregen.«
    »Mich aufregen?«
    »Ja. Du hast doch neulich mit dem armen Kerl gesprochen.«
    Er sah, wie ihre Hand zu ihrem Herzen glitt, wie ihre Augenlider zuckten, und dann sagte sie mit leiser, hastiger Stimme, die ihm Angst machte:
    »Ich weiß nicht, was du meinst. Sag mir, was passiert ist.«
    »Ich dachte, du – «
    »Sag es mir!«
    »Draußen auf der Tabakplantage. Hat sich erschossen, der Bursche. Kam völlig kaputt aus dem Krieg zurück, war mit den Nerven am Ende. Einen anderen Grund scheint es nicht zu geben.«
    »Er hat sich erschossen – in dem dunklen Schuppen, wo der Tabak hing.« Sie sprach mit Bestimmtheit, mit dem Blick einer Schlafwandlerin in den Augen, während sie vor sich eine Gestalt mit einem Revolver in der Hand in der lieblich duftenden Dunkelheit liegen sah.
    »Stimmt genau; wo dir vorgestern plötzlich unwohl wurde. Schon merkwürdig, das.«
    Deirdre gab keine Antwort. Sie sah noch ein anderes Bild vor sich – einen Tisch mit Teesachen darauf und eine Frau, die zu einer Lüge bejahend den Kopf neigt.
    »Ja, ja, der Krieg, der hat so
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