Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Solange es hell ist

Solange es hell ist

Titel: Solange es hell ist
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
zurückgesehnt hast. Ich holte dich einmal von ihnen weg, aber ein zweites Mal – dazu fehlte mir der Mut. Meine Gesundheit war zerrüttet, ich konnte kaum ohne Krücken gehen, und dann die Narbe hier.«
    Sie fiel ihm heftig ins Wort:
    »Glaubst du wirklich, dass mir das etwas ausgemacht hätte?«
    »Nein, dir nicht, das weiß ich. Ich war ein Narr. Aber manche Frauen stießen sich daran. Ich beschloss, zumindest einen Blick von dir zu erhaschen. Falls du glücklich aussahst, falls ich das Gefühl hatte, dass du damit zufrieden warst, bei Crozier zu sein – nun, dann würde ich tot bleiben. Und ich sah dich. Du stiegst gerade in einen großen Wagen. Du hattest einen wunderschönen Zobelmantel an – den ich dir nie hätte geben können, auch wenn ich mir die Finger wund gearbeitet hätte –, und du, du schienst nicht unglücklich zu sein. Ich hatte nicht mehr die Kraft und den Mut, nicht mehr den Glauben an mich selbst, den ich vor dem Krieg besessen hatte. Alles, was ich sah, war ein gebrochener Mann, zu nichts nütze, kaum fähig, genug zu verdienen, um dich zu ernähren – und du sahst so wunderschön aus, Deirdre, wie eine Königin unter den anderen Frauen, so würdig, Pelze und Schmuck und hübsche Kleider zu besitzen und all die tausend Dinge, die Crozier dir geben konnte. Das und – und der Schmerz, euch zusammen zu sehen, gaben für mich den Ausschlag. Alle hielten mich für tot. Also würde ich tot bleiben.«
    »Der Schmerz!«, wiederholte Deirdre mit leiser Stimme.
    »Ja, verdammt nochmal, Deirdre, es tat weh! Nicht dass ich dir einen Vorwurf machen will. Wirklich nicht. Aber es tat weh.«
    Beide schwiegen. Dann nahm Tim ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie mit ungewohnter Zärtlichkeit.
    »Aber das ist jetzt alles vorbei, mein Liebling. Das Einzige, was wir noch entscheiden müssen, ist, wie wir es Crozier sagen wollen.«
    »Oh!« Sie machte sich abrupt von ihm los. »Ich dachte nicht, dass – «
    Sie brach ab, da Crozier und der Verwalter hinter einer Biegung des Weges erschienen. Mit einer schnellen Bewegung des Kopfes flüsterte sie:
    »Unternimm jetzt nichts. Überlass alles mir. Ich muss ihn darauf vorbereiten. Wo kann ich dich morgen treffen?«
    Nugent überlegte.
    »Ich könnte nach Bulawayo kommen. Wie wäre es mit dem Café bei der Standard Bank? Um drei Uhr ist es dort bestimmt ziemlich leer.«
    Deirdre nickte knapp zum Zeichen der Zustimmung, ließ ihn stehen und schloss sich den beiden Männern an. Tim Nugent sah ihr stirnrunzelnd nach. Etwas in ihrem Verhalten verwirrte ihn.
     
    Deirdre war während der Heimfahrt sehr still. Sie verschanzte sich hinter ihrem angeblichen »leichten Sonnenstich« und dachte über ihr weiteres Vorgehen nach. Wie sollte sie es George beibringen? Wie würde er es aufnehmen? Eine seltsame Mattigkeit schien sich ihrer zu bemächtigen und ein wachsendes Verlangen, die Aussprache so lange wie möglich hinauszuschieben. Morgen war dafür noch früh genug. Vor dem Treffen um drei Uhr blieb reichlich Zeit dazu.
    Das Hotel war ungemütlich. Ihr Zimmer lag im Erdgeschoss und ging auf einen Innenhof. Am Abend sog Deirdre die verbrauchte Luft ein und betrachtete angewidert das schäbige Mobiliar. Ihre Gedanken eilten zu der luxuriösen Behaglichkeit von Monkton Court inmitten der Kiefernwälder Surreys zurück. Als ihre Zofe sie endlich allein ließ, ging sie langsam zu ihrer Schmuckkassette. Der golden schimmernde Diamant in ihrer Hand funkelte sie an.
    Mit einer fast heftigen Bewegung legte sie ihn in die Kassette zurück und schlug den Deckel zu. Morgen Vormittag würde sie es George sagen.
    Sie schlief schlecht. Unter den schweren Falten des Moskitonetzes war es zum Ersticken heiß. Die vibrierende Dunkelheit wurde von dem allgegenwärtigen Sirren unterbrochen, vor dem sie sich zu fürchten gelernt hatte. Sie erwachte blass und lustlos. Unmöglich, so früh am Tag eine Aussprache herbeizuführen!
    Sie blieb den ganzen Vormittag in dem kleinen, stickigen Zimmer und ruhte. Als es Zeit zum Mittagessen war, traf sie das wie ein Schock. Beim Kaffee schlug George Crozier einen Ausflug nach Matopos vor.
    »Wenn wir gleich aufbrechen, bleibt genügend Zeit dafür.«
    Deirdre schüttelte den Kopf, schützte Kopfschmerzen vor und dachte bei sich: »Damit ist die Sache für heute erledigt. Ich darf nichts überstürzen. Auf einen Tag mehr oder weniger kommt es nun wirklich nicht an. Ich werde es Tim erklären.«
    Sie winkte Crozier nach, als er in dem zerbeulten Ford
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher