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Solange es hell ist

Solange es hell ist

Titel: Solange es hell ist
Autoren: Agatha Christie
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Glätte ihrer Wangen, die Rundungen ihres Körpers – inzwischen vielleicht etwas rundlicher, als sie es in den lange zurückliegenden Tagen gewesen waren, als sie ihm passiv gestattet hatte, sich mit ihr zu verloben, und ihn dann, in der ersten Gefühlsaufwallung des Kriegsausbruches, abrupt hatte fallen lassen und überstürzt diesen hageren, sonnengebräunten Burschen, ihren geliebten Tim Nugent, geehelicht hatte.
    Wie dem auch sei, der Bursche war tot – auf dem Felde der Ehre gefallen –, und er, George Crozier, hatte das Mädchen geheiratet, das er schon immer hatte heiraten wollen. Sie hatte ihn schließlich ebenfalls gern; wieso auch nicht, wo er doch bereit war, ihr jeden Wunsch zu erfüllen und auch das nötige Geld dazu hatte! Mit leichter Selbstgefälligkeit dachte er an das Geschenk, das er ihr gerade erst in Kimberley gemacht hatte, wo er, dank seiner freundschaftlichen Beziehungen zu einigen Direktoren von De Beers, einen Diamanten hatte erwerben können, der normalerweise überhaupt nicht auf dem Markt gewesen wäre, einen Stein, nicht außergewöhnlich groß, aber von exquisiter und seltener Farbe, einem eigentümlichen satten Bernsteinton, fast wie altes Gold, einen Diamanten, wie man ihn alle hundert Jahre nur einmal fand. Und dieser Blick in ihren Augen, als er ihn ihr gab! Frauen waren doch alle gleich, wenn es um Diamanten ging.
    Der zwingende Umstand, sich mit beiden Händen festzuhalten, um nicht aus dem Wagen geschleudert zu werden, holte George Crozier auf den Boden der Tatsachen zurück. Wohl zum vierzehnten Mal rief er mit der verzeihlichen Gereiztheit eines Mannes aus, der zwei Rolls-Royce-Automobile besitzt und seine fahrerischen Fähigkeiten auf den Straßen zivilisierter Länder trainiert hat: »Herrgott, was ist das bloß für ein Wagen! Was ist das bloß für eine Straße!« Ärgerlich fuhr er fort: »Wo zum Teufel liegt diese Tabakplantage eigentlich? Wir sind doch schon vor über einer Stunde in Bulawayo losgefahren.«
    »In Rhodesien verirrt«, sagte Deirdre leichthin zwischen zwei unfreiwilligen Luftsprüngen.
    Solchermaßen angesprochen, hatte der kaffeebraune Fahrer jedoch die erfreuliche Nachricht zu vermelden, dass ihr Ziel gleich hinter der nächsten Straßenbiegung lag.
     
    Der Verwalter der Plantage, Mr Walters, wartete bereits auf der Veranda, um sie mit der Ehrerbietung zu empfangen, die George Croziers herausragender Stellung bei der Union Tobacco gebührte. Er stellte seine Schwiegertochter vor, die Deirdre durch die kühle, dunkle Diele in ein dahinter gelegenes Schlafzimmer führte, wo sie den Schleier abnehmen konnte, mit dem sie ihren Teint bei jeder Autofahrt sorgsam zu schützen pflegte. Während sie in ihrer gewohnt gemächlichen, anmutigen Art die Nadeln entfernte, wanderte ihr Blick über die weißgetünchte Hässlichkeit des kahlen Zimmers. Nicht der geringste Komfort, und Deirdre, die den Luxus liebte wie eine Katze die Sahne, erschauerte leicht. An der Wand bemerkte sie einen Spruch. »Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?« begehrte er von einem jeden zu wissen, und in der beruhigenden Gewissheit, dass die Frage nichts mit ihr selbst zu tun hatte, wandte Deirdre sich ab und folgte ihrer schüchternen und ziemlich schweigsamen Begleiterin hinaus. Sie bemerkte, aber ohne die geringste Boshaftigkeit, die ausladenden Hüften und das unvorteilhafte billige Baumwollkleid. Und mit stiller Genugtuung glitt ihr Blick hinunter auf die exquisite, teure Schlichtheit ihres eigenen weißen Leinen-Komplets aus Frankreich. Schöne Kleider, insbesondere wenn sie von ihr selbst getragen wurden, weckten in ihr die Freude des Künstlers.
    Die beiden Männer erwarteten sie.
    »Sind Sie sicher, dass Sie sich auf dem Rundgang nicht langweilen werden, Mrs Crozier?«
    »Ganz bestimmt nicht. Ich habe noch nie eine Tabakfabrik besichtigt.«
    Sie traten hinaus in den stillen rhodesischen Nachmittag.
    »Das da sind die Sämlinge; sie werden nach Bedarf ausgepflanzt. Hier sehen Sie…«
    Die Stimme des Verwalters redete weiter, unterbrochen von den scharfen, abgehackten Fragen ihres Mannes – Ertrag, Stempelgebühr, Probleme mit den farbigen Arbeitskräften. Sie hörte nicht länger hin.
    Dies war Rhodesien, dies war das Land, das Tim geliebt hatte, in das er und sie zusammen hatten gehen wollen, wenn der Krieg vorbei war. Wenn Tim nicht gefallen wäre! Wie stets bei diesem Gedanken lehnte sich alles in ihr auf. Zwei
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