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Solange es hell ist

Solange es hell ist

Titel: Solange es hell ist
Autoren: Agatha Christie
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kurze Monate – mehr war ihnen nicht vergönnt gewesen. Zwei Monate des Glücks – falls diese Mischung aus Verzückung und Schmerz Glück zu nennen war. War Liebe jemals Glück? Peinigten nicht tausend Qualen das Herz des Liebenden? Sie hatte in dieser kurzen Zeit intensiv gelebt, aber hatte sie jemals den Seelenfrieden, die Ruhe, die stille Zufriedenheit ihres jetzigen Lebens gekannt? Und zum ersten Mal gestand sie sich leicht widerstrebend ein, dass es vielleicht doch gut war, wie alles gekommen ist.
    »Das Leben hier draußen hätte mir nicht zugesagt. Vielleicht hätte ich Tim nicht glücklich machen können. Vielleicht hätte ich ihn enttäuscht. George liebt mich, und ich habe ihn sehr gern, und er ist sehr, sehr gut zu mir. Man braucht sich nur den Diamanten anzusehen, den er mir vor einigen Tagen gekauft hat.« Bei dem Gedanken daran sanken ihre Augenlider vor schierer Freude leicht herab.
    »Hier werden die Blätter aufgefädelt.« Walters ging ihnen in einen niedrigen, langen Schuppen voran. Auf dem Boden lagen gewaltige Haufen grüner Blätter, um die weiß gekleidete schwarze »Boys« hockten, sie mit flinken Fingern verlasen, der Größe nach sortierten und mittels primitiver Nadeln auf lange Schnüre aufzogen. Sie arbeiteten mit heiterer Gemächlichkeit, scherzten miteinander und zeigten ihre weißen Zähne, wenn sie lachten.
    »Und hier draußen…«
    Sie gingen durch den Schuppen wieder ins Tageslicht hinaus, wo die aufgefädelten Blätter zum Trocknen in der Sonne hingen. Deirdre sog vorsichtig den schwachen, fast unmerklichen feinen Geruch ein, der die Luft erfüllte.
    Walters führte sie in weitere Schuppen, wo der Tabak, vom Kuss der Sonne leicht gelblich verfärbt, anschließend weiterverarbeitet wurde. In einem herrschte Dunkelheit, und die sich leicht bewegenden braunen Reihen der dort hängenden Blätter waren bereit, bei einer heftigen Bewegung zu Staub zu zerfallen. Der Geruch war stärker, fast überwältigend, wie Deirdre fand, und plötzlich überfiel sie ein beklemmendes Gefühl, eine Angst, sie wusste nicht wovor, die sie aus dem bedrohlichen, wohl riechenden Dunkel hinaus ins Sonnenlicht trieb. Crozier bemerkte, dass sie blass aussah.
    »Was ist denn, mein Schatz, fühlst du dich nicht wohl? Ist bestimmt die Sonne. Du solltest den Rundgang durch die Plantage vielleicht lieber nicht mitmachen, oder?«
    Walters zeigte sich sehr besorgt. Mrs Crozier sollte lieber wieder ins Haus gehen und sich ausruhen. Er rief einen Mann, der sich in der Nähe befand.
    »Mrs Crozier, das ist Mr Arden. Mrs Crozier leidet etwas unter der Hitze, Arden. Bringen Sie sie bitte zurück ins Haus.«
    Das momentane Schwindelgefühl verschwand. Deirdre ging neben Arden her. Sie hatte ihn noch nicht einmal richtig angesehen.
    »Deirdre!«
    Ihr Herz machte einen Sprung und blieb dann stehen. Nur ein einziger Mensch hatte ihren Namen jemals so ausgesprochen, mit dieser leichten Betonung auf der ersten Silbe, dass es wie eine Liebkosung klang.
    Sie drehte sich um und starrte den Mann an ihrer Seite an. Er war von der Sonne fast schwarz gebrannt, hinkte beim Gehen und hatte auf der Wange, die ihr zugewandt war, eine lange Narbe, die seinen Gesichtsausdruck veränderte, aber sie erkannte ihn trotzdem.
    »Tim!«
    Eine Ewigkeit, wie ihr schien, sahen sie sich nur an, stumm und zitternd, und dann, ohne zu wissen wieso oder warum, lagen sie sich in den Armen. Das Rad der Zeit drehte sich für sie zurück. Dann lösten sie sich voneinander, und Deirdre sagte, sich der Albernheit der Frage wohl bewusst, noch während sie sie stellte:
    »Du bist gar nicht tot?«
    »Nein, sie müssen einen anderen mit mir verwechselt haben. Ich war durch einen schweren Schlag bewusstlos geworden, und als ich zu mir kam, konnte ich mich in den Busch schleppen. Was danach geschah, weiß ich nicht, aber ein befreundeter Stamm kümmerte sich monatelang um mich, bis ich meine fünf Sinne wieder beisammen hatte und es mir gelang, in die Zivilisation zurückzukehren.« Er hielt inne. »Ich stellte fest, dass du seit sechs Monaten verheiratet warst.«
    Deirdre rief aus:
    »O Tim, du musst das verstehen, bitte versteh mich! Es war so entsetzlich, die Einsamkeit – und die Armut. Mit dir zusammen machte es mir nichts aus, arm zu sein, aber als ich dann allein war, hatte ich nicht die Kraft, das ganze Elend auszuhalten.«
    »Ist schon gut, Deirdre; ich hatte Verständnis dafür. Ich weiß ja, dass du dich schon immer nach den Fleischtöpfen Ägyptens
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