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Solange es hell ist

Solange es hell ist

Titel: Solange es hell ist
Autoren: Agatha Christie
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verstrichen! Und immer noch kletterte er.
    Einmal hörte er die Stimme des Arztes. Aber er konnte nicht innehalten, um ihm zuzuhören. Außerdem würde der Arzt nur sagen, dass er aufhören solle, das Haus zu suchen. Er dachte, es sei ein gewöhnliches Haus. Er hatte keine Ahnung.
    Er erinnerte sich plötzlich, dass er ruhig sein musste, ganz ruhig. Man konnte das Haus nur finden, wenn man ganz ruhig war. Es hatte keinen Sinn, das Haus zu suchen, wenn man aufgeregt war.
    Wenn er doch nur ruhig bleiben könnte! Aber es war so heiß! Heiß? Es war kalt – ja, kalt. Das waren keine Klippen, das waren Eisberge – gezackte kalte Eisberge.
    Er war so müde. Er wollte nicht weitersuchen – es hatte keinen Sinn. Aber da war ein Pfad – viel besser als Eisberge. Wie angenehm und schattig es auf dem kühlen, grünen Pfad war. Und die Bäume – diese prächtigen Bäume! Sie sahen fast so aus wie – was? Er konnte sich nicht darauf besinnen, aber das war unerheblich.
    Und da waren Blumen. Goldene und blaue Blumen!
    Wie herrlich sie waren – und so seltsam vertraut. Natürlich, er war schon früher hier gewesen. Dort, zwischen den Bäumen, leuchtete das Haus auf seiner Anhöhe. Wie wunderschön es war! Der grüne Pfad und die Bäume und die Blumen waren nichts, verglichen mit der überwältigenden Schönheit des Hauses.
    Er schritt schneller aus. Sich vorzustellen, dass er noch nie im Inneren gewesen war! Wie unglaublich dumm von ihm – wo er doch die ganze Zeit den Schlüssel in der Tasche hatte!
    Und natürlich war die Schönheit des Äußeren gar nichts im Vergleich zu der Schönheit, die im Inneren wartete – insbesondere jetzt, da der Besitzer aus dem Ausland zurückgekehrt war. Er stieg die Stufen zu der großen Tür hinauf.
    Brutale, kräftige Hände rissen ihn zurück! Hielten ihn fest, zerrten ihn hin und her, vor und zurück.
    Der Arzt schüttelte ihn, brüllte ihm ins Ohr: »Durchhalten, Mann, Sie schaffen es! Nicht aufgeben! Nicht aufgeben!«
    In seinen Augen brannte das Feuer eines Menschen, der einen Feind erblickt. Segrave fragte sich, wer dieser Feind war. Die schwarzgekleidete Nonne betete jetzt. Auch das war sonderbar.
    Und dabei wollte er doch nur in Ruhe gelassen werden. Um wieder zu dem Haus gehen zu können. Denn das Haus wurde von Minute zu Minute undeutlicher.
    Das lag natürlich daran, dass der Arzt so stark war. Er selbst war nicht stark genug, um es mit dem Arzt aufzunehmen. Wenn er es doch nur könnte!
    Doch halt! Es gab noch einen anderen Weg – den Weg, den Träume im Augenblick des Erwachens einschlugen. Keine Kraft der Welt konnte sie aufhalten, sie huschten einfach davon. Die Hände des Arztes würden ihn nicht festhalten können, wenn er losließ – einfach losließ!
    Ja, das war der richtige Weg! Die weißen Mauern waren wieder deutlich zu sehen, die Stimme des Arztes wurde schwächer, seine Hände waren kaum noch zu spüren. Nun wusste er, wie Träume lachen, wenn sie einem entwischten!
    Er stand vor der Tür des Hauses. Die unsagbare Stille wurde durch nichts gestört. Er steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn herum.
    Einen kurzen Augenblick hielt er inne, um die vollkommene, die unbeschreibliche, die alles befriedigende Freude auszukosten.
    Dann trat er über die Schwelle.

 
    Nachwort
     
    The House of Dreams erschien erstmals im Januar 1926 im Sovereign Magazine. Es ist eine überarbeitete Version der Kurzgeschichte The House of Beauty, die Agatha Christie bereits vor dem Ersten Weltkrieg schrieb und in ihrer Autobiografie »das erste, was ich schrieb, das zu gewissen Hoffnungen Anlass gab« nannte. Während die ursprüngliche Kurzgeschichte obskur und im Ton übertrieben morbide ist, kommt The House of Dreams dicht an die bedrohlichen Gruselgeschichten der Edwardianischen Epoche heran, insbesondere an die von E. F. Benson. Sie ist bei Weitem klarer und weniger introspektiv als die ursprüngliche Fassung, die Christie für die Veröffentlichung stark überarbeitete. Um die Charaktere der beiden Frauen zu entwickeln, dämpfte sie das Unirdische, das Allegra anhaftet, und baute Maisies Rolle aus. Ein ähnliches Thema wird in The Call of Wings (Rolltreppe ins Grab) behandelt, einer weiteren frühen Kurzgeschichte, die in The Hound of Death; 1933 (Der Hund des Todes) enthalten ist.
    Über The House of Beauty bemerkte Christie 1938, dass sie »das Ausdenken der Geschichte vergnüglich und das Schreiben ungemein anstrengend« gefunden habe, aber dass die Saat gesät gewesen
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