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Solange es hell ist

Solange es hell ist

Titel: Solange es hell ist
Autoren: Agatha Christie
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festzukleben.
    Für Maisie war er an diesem Wochenende ein Rätsel. Er schien gar nicht zu sehen, dass – was doch ganz deutlich zu sehen war. Sie ging immer sehr direkt vor, aber Direktheit verfehlte bei John ihre Wirkung. Er fand Maisie zwar sympathisch, aber etwas aufdringlich.
    Doch die Parzen waren stärker als Maisie. Sie wollten, dass John Allegra wiedersehen sollte.
    Sie begegneten sich eines Sonntagnachmittags im Park. Er hatte sie aus der Ferne gesehen, und sein Herz hatte laut zu pochen begonnen. Und wenn sie ihn nun vergessen hatte?
    Aber sie hatte ihn nicht vergessen. Sie blieb stehen und sprach mit ihm. Schon wenige Minuten später gingen sie Seite an Seite forschen Schrittes durch das Gras. Er war außer sich vor Glück.
    Er sagte plötzlich und unerwartet:
    »Glauben Sie an Träume?«
    »Ich glaube an Albträume.«
    Die Härte ihrer Stimme überraschte ihn.
    »Albträume«, sagte er benommen. »Ich meinte nicht Albträume.«
    Allegra sah ihn an.
    »Nein«, sagte sie. »In Ihrem Leben gibt es keine Albträume. Das sehe ich.«
    Ihre Stimme war sanft – anders.
    Daraufhin erzählte er ihr, leicht stockend, von seinem Traum von dem weißen Haus. Er hatte inzwischen sechsmal davon geträumt – nein, siebenmal. Immer das gleiche. Es war wunderschön. So wunderschön!
    Er fuhr fort:
    »Wissen Sie, es hat irgendwie mit – mit Ihnen zu tun. Das erste Mal träumte ich davon in der Nacht, bevor ich Sie kennen lernte.«
    »Mit mir?« Sie lachte – kurz und bitter. »O nein, das ist unmöglich. Das Haus war doch wunderschön.«
    »Genau wie Sie«, sagte John Segrave.
    Allegra errötete peinlich berührt.
    »Verzeihen Sie, das war dumm von mir. Ich schien wohl ein Kompliment herauszufordern. Aber das wollte ich wirklich nicht. Rein äußerlich ist bei mir alles in Ordnung, wie ich weiß.«
    »Das Innere des Hauses habe ich noch nicht gesehen«, sagte John Segrave. »Wenn ich es sehe, dann wird es bestimmt genauso schön sein wie das Äußere.«
    Er sprach langsam und eindringlich, verlieh den Worten eine Bedeutung, die Allegra Kerr zu ignorieren vorzog.
    »Es gibt noch etwas, das ich Ihnen sagen möchte – falls Sie mich anhören wollen.«
    »Das werde ich«, sagte Allegra.
    »Ich gebe meine Stellung auf. Das hätte ich schon früher tun sollen, das ist mir jetzt klar. Ich war damit zufrieden, mich treibenzulassen, wusste, dass ich ein absoluter Versager bin, kümmerte mich nicht weiter darum, lebte einfach in den Tag hinein. Das sollte ein Mann nicht. Als Mann hat man die Pflicht, etwas zu tun, zu finden, was man kann, und damit Erfolg zu haben. Ich gebe alles auf und fange etwas Neues an, etwas völlig anderes. Es geht um eine Art Expedition nach Westafrika – mehr darf ich Ihnen dazu nicht sagen. Die näheren Einzelheiten sollen nicht bekanntwerden; aber wenn alles klappt, werde ich ein reicher Mann sein.«
    »Dann ist also auch für Sie Geld der Maßstab des Erfolges?«
    »Geld«, sagte John Segrave, »bedeutet für mich nur eines: Sie! Wenn ich zurückkomme – « Er brach ab.
    Sie neigte den Kopf. Ihr Gesicht war sehr blass geworden.
    »Ich will nicht vorgeben, Sie falsch verstanden zu haben. Und darum muss ich Ihnen ein für allemal sagen: Ich werde niemals heiraten.«
    Er dachte kurz über ihre Worte nach und sagte dann sanft:
    »Wollen Sie mir nicht sagen, warum?«
    »Ich könnte es, aber gerade Ihnen möchte ich es um nichts auf der Welt sagen.«
    Wieder schwieg er, dann blickte er plötzlich auf, und auf seinem Faunsgesicht zeichnete sich ein seltsam anziehendes Lächeln ab.
    »Ich verstehe«, sagte er. »Sie wollen mich nicht in das Haus hineinlassen, mir nicht einmal einen kurzen Blick gestatten. Die Vorhänge sollen geschlossen bleiben.«
    Allegra beugte sich vor und legte die Hand auf seine.
    »Ich will Ihnen so viel sagen: Sie träumen von Ihrem Haus. Aber ich – ich träume nicht. Meine Träume sind Albträume!«
    Und mit diesen Worten verließ sie ihn, abrupt und verstörend.
    Nachts hatte er wieder den Traum. In letzter Zeit war ihm klar geworden, dass das Haus mit Sicherheit bewohnt war. Er hatte eine Hand die Vorhänge zur Seite schieben sehen, hatte drinnen flüchtig umhergehende Gestalten erblickt.
    In dieser Nacht wirkte das Haus heller als je zuvor. Seine weißen Mauern leuchteten im Sonnenlicht. Die Ruhe und die Schönheit des Hauses waren vollkommen.
    Plötzlich merkte er, wie sich das Glücksgefühl in ihm verstärkte. Jemand kam ans Fenster. Er wusste es. Eine Hand, die gleiche
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