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Heyne Galaxy 04

Heyne Galaxy 04

Titel: Heyne Galaxy 04
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
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Das Y-Hormon
    (THE IMMORTALS)
     
    David Duncan
     
     
    Dr. Clarence Peccary konnte als objektiver Mensch bezeichnet werden. Seine steigende Unsicherheit, so erkannte er, wurde durch die Furcht hervorgerufen, daß sein Gewissen ihn vielleicht daran hindern könnte, nach dem ungeheuren Reichtum zu greifen, der da vor ihm lag. Millionen, vielleicht Milliarden. Er wollte sie, und er wollte sich auch an ihnen erfreuen.
    Auf keinen Fall aber wollte er sein Leben lang den Blicken seiner Mitmenschen ausweichen müssen – besonders dann nicht, wenn sein Leben unter Umständen Jahrhunderte dauern würde. Grübelnd saß er vor dem rechteckigen Bildschirm, der über den Kontrollen von Roger Staghorns großem Komputer angebracht war.
    Im Augenblick wäre Peccary sogar in der Lage gewesen, Staghorn jede Art von Gewissen abzusprechen. Auf der anderen Seite wußte er, daß Staghorn überhaupt nicht daran interessiert war, ein Vermögen zu gewinnen. Staghorns Erfüllung hieß »Humanität«, und so hatte er auch das von ihm entwickelte Gerät genannt. Neben Peccary saß er vor dem elektronischen Monstrum. Hinter den dicken Brillengläsern funkelten seine Augen, als er sich vorbeugte, um die Einzelheiten auf dem Bildschirm besser erkennen zu können. Der Anblick schien ihn weder zu befremden noch aufzuregen.
    Auf dem Schirm war in Farbe ein Park zu erkennen, der in der Mitte einer Kleinstadt gelegen sein mußte. Er machte einen ungepflegten Eindruck. Papier lag herum und wurde vom Wind über die Wege getrieben. Das Gras war ungeschnitten und an einigen Stellen vertrocknet. Im Hintergrund war eine kleine Kirche zu sehen, deren Turm jeden Augenblick einzustürzen drohte. Die Fensterscheiben waren zerbrochen, und die schweren Holztüren hingen lose in ihren Angeln.
    Staghorns und Peccarys Aufmerksamkeit galt jedoch nicht der Szenerie, sondern den Menschen, die scheinbar ziellos durch den Park wanderten und sich hüteten, dem Kirchturm zu nahe zu kommen. Alle waren sie jung, von siebzehn bis höchstens dreißig.
    Als Peccary sie zum erstenmal sah, rief er aus:
    »Sehen Sie, Staghorn! Sie sind alle jung! Und sie sehen gut aus.«
    Aber dann hatte er geschwiegen, genauer hingesehen und geriet in Staunen.
    Die Kleidung, die von den jungen Leuten getragen wurde, war zumindest merkwürdig. Sie bestand nur aus Lumpen. Es gab Kleidungsstücke, die entfernt an Hosen oder Jacken erinnerten, aber die meisten Männer und Frauen trugen einfache Tücher, die achtlos um den Körper geschlungen waren. Unter normalen Umständen hätte die Polizei Grund genug gefunden, den einen oder anderen wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses festzunehmen, aber schließlich sah man sie ja nur auf Staghorns Bildschirm. Jedenfalls schienen sie sich nichts aus ihrem Zustand zu machen, und auch sonst war ihnen anscheinend alles egal. Ein ausnehmend hübsches Mädchen, gekleidet wie eine jener Frauen des Altertums auf Kreta, wurde von einem jungen Adonis, der an ihr vorüberging, kaum beachtet. Sie schenkte ihm ebenfalls keinen Blick, sondern ihre ganze Aufmerksamkeit galt der Bank, auf die sie zusteuerte und sich darauf niederließ.
    Peccary betrachtete sie näher, und dann richtete er sich mit einem Ruck auf.
    »Der Teufel soll mich holen«, sagte er, »wenn das nicht Jenny Cheever ist.«
    Staghorn starrte auf das Mädchen.
    »Sie kennen sie also?« fragte er.
    »Ich kenne ihren Vater. Er hat einen Laden in der Stadt. Sie ist heute zwanzig Jahre alt – und dort sitzt sie auf der Bank, hundert Jahre in der Zukunft, und ist keinen Tag älter als heute.«
    »Es ist nur ihr Bildnis, Dr. Peccary. Allerdings ein sehr schönes, wie ich zugeben muß.«
    Peccary war aufgesprungen. Er konnte seine Erregung kaum noch meistern.
    »Ich kann es einfach nicht glauben! Ganz bestimmt wurde Ihrem Apparat eine falsche Information gegeben. Seine Kalkulationen müssen daher unrichtig sein.«
    Staghorn ließ sich davon nicht beeindrucken.
    »Sie haben doch selbst gesagt, daß Sie das Mädchen dort wiedererkennen. ›Humanität‹ arbeitet mit unnachahmlicher Präzision, sonst wäre es ihm nicht möglich, eine wiederzuerkennende Person als Wahrscheinlichkeit in die Zukunft zu projizieren.«
    »Dann wechseln Sie die Szene. Ich weiß genau, daß dieser Teil der Stadt in fünfzig Jahren ein Irrenhaus wurde.« In der Gegenwart von »Humanität« war es durchaus nicht verwunderlich, wenn man von der Zukunft in der Vergangenheit sprach. »Haben Sie übrigens den Ton
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