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Solange es hell ist

Solange es hell ist

Titel: Solange es hell ist
Autoren: Agatha Christie
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Hand, die er schon einmal gesehen hatte, fasste nach dem Vorhang, zog ihn zurück. Gleich würde er es sehen…
    Er war wach, immer noch zitternd vor Entsetzen, vor unsäglichem Abscheu vor dem Etwas, das aus dem Fenster des Hauses zu ihm hinausgeblickt hatte.
    Es war etwas ganz und gar Entsetzliches, etwas so Abscheuliches und Ekelerregendes, dass die bloße Erinnerung daran Übelkeit in ihm hervorrief. Und er wusste, dass das Unsäglichste und das Allerentsetzlichste daran die Tatsache war, dass Es in diesem Haus wohnte – in diesem Haus von vollkommener Schönheit.
    Denn wo dieses Etwas weilte, war das Grauen – ein Grauen, das sich erhob und den Frieden und die heitere Ruhe zerschmetterte, die das Erstgeburtsrecht des Hauses waren. Die Schönheit, die wunderbare unsterbliche Schönheit des Hauses war für immer zerstört, denn in seinen heiligen geweihten Mauern hauste der Schatten eines unreinen Geistes!
    Falls er je wieder von dem Haus träumen sollte, das war Segrave klar, würde er auf der Stelle vor Schreck aufwachen, damit aus dessen weißer Schönheit nicht plötzlich dieses Etwas zu ihm hinausblickte.
    Am nächsten Abend, nach Verlassen des Büros, ging er geradewegs zum Haus der Wettermans. Er musste Allegra Kerr sprechen. Maisie würde ihm sagen, wo sie zu finden war.
    Er bemerkte nicht das freudige Licht, das in Maisies Augen aufleuchtete, als er hereingeführt wurde und sie aufsprang, um ihn zu begrüßen. Stammelnd brachte er sofort seine Bitte vor, noch während ihre Hand in der seinen lag.
    »Miss Kerr. Ich habe sie gestern getroffen, aber ich weiß nicht, wo sie wohnt.«
    Er spürte nicht, wie Maisies Hand in seiner schlaff wurde, als sie sie zurückzog. Die plötzliche Kälte in ihrer Stimme sagte ihm nichts.
    »Allegra ist hier – zu Besuch bei uns. Aber Sie können sie leider nicht sprechen.«
    »Aber – «
    »Ihre Mutter ist heute Vormittag gestorben. Wir haben es eben erst erfahren.«
    »Ach!« Er war bestürzt.
    »Es ist alles sehr traurig«, sagte Maisie. Sie zögerte nur einen Moment und fuhr dann fort: »Sie starb nämlich in – nun, praktisch in einer Irrenanstalt. Geisteskrankheit liegt bei ihnen in der Familie. Der Großvater hat sich erschossen, und eine von Allegras Tanten ist hoffnungslos schwachsinnig, und eine andere hat sich ertränkt.«
    John Segrave stieß einen unverständlichen Laut aus.
    »Ich dachte, ich müsste Ihnen das mitteilen«, sagte Maisie tugendhaft. »Wir sind doch gute Freunde, oder? Und Allegra ist schließlich sehr attraktiv. Viele Leute haben sie gebeten, sie zu heiraten, aber sie wird natürlich nie heiraten – das könnte sie nicht.«
    »Aber sie ist doch gesund«, sagte Segrave. »Bei ihr ist alles in Ordnung.«
    Seine Stimme klang rau und unnatürlich in seinen Ohren.
    »Das kann man nie wissen, ihre Mutter war auch völlig in Ordnung, als sie jung war. Und sie war nicht nur – sonderbar, müssen Sie wissen. Sie war vollkommen wahnsinnig. Geisteskrankheit ist etwas Furchtbares.«
    »Ja«, sagte er, »etwas ganz Schreckliches.«
    Er wusste jetzt, was aus dem Fenster des Hauses zu ihm hinausgeblickt hatte.
    Maisie schwatzte weiter. Er fiel ihr schroff ins Wort.
    »Ich bin nur gekommen, um Lebewohl zu sagen – und um Ihnen für die mir erwiesenen Wohltaten zu danken.«
    »Sie gehen doch nicht etwa fort?«
    Ihr Ton drückte Bestürzung aus.
    Er lächelte sie schief an, kläglich und anziehend.
    »Doch«, sagte er. »Nach Afrika.«
    »Afrika!«
    Maisie wiederholte das Wort ausdruckslos. Bevor sie sich zusammenreißen konnte, hatte er ihre Hand geschüttelt und war gegangen. Sie konnte nur dastehen, die Hände seitlich am Körper zu Fäusten geballt, auf jeder Wange ein zorniger roter Fleck.
    Unten, auf der Stufe vor der Haustür, sah John Segrave sich von Angesicht zu Angesicht Allegra gegenüber, die von draußen hereinkam. Sie trug Schwarz, und ihr Gesicht war weiß und leblos. Sie sah ihn nur kurz an und zog ihn rasch in ein kleines Boudoir.
    »Maisie hat es Ihnen erzählt«, sagte sie. »Sie wissen es?«
    Er nickte.
    »Aber was macht das schon? Sie sind doch gesund! Manche – manche Leute bekommen es nicht.«
    Sie sah ihn wehmütig an.
    »Sie sind gesund«, sagte er noch einmal.
    »Das weiß ich nicht«, sagte sie beinahe flüsternd. »Ich weiß es nicht. Ich habe Ihnen von meinen Träumen erzählt. Und wenn ich spiele – wenn ich am Klavier sitze –, dann kommen diese anderen und bemächtigen sich meiner Hände.«
    Er starrte sie an – wie
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