Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Titel: Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein
Autoren: Susanne U. Wiemer
Vom Netzwerk:
waren sie oft auf dem Plateau gewesen, um ihren Mut zu beweisen und ihre Neugier zu befriedigen - aber niemals, wenn die Priester die Götter riefen. Denn vor den Augen der schwarzen Götter konnte man sich nicht unsichtbar machen. Wenn sie aus den Felsen traten, mußten sie die Frevler bemerken und zerschmettern. So sagten es die Priester, so glaubte es das Volk des Tempeltals, und Charru schauerte bei dem Gedanken, daß es wahr sein könnte.
    Ein Blick zurück zeigte ihm die gespannten, verbissenen Gesichter von Karstein und Camelo im Widerschein der Flammenwand. Nur noch wenige Meter: ein Kamin, in dem der Fels natürliche Stufen bildete. Charru schwang sich über die Kante des Plateaus, blieb geduckt stehen und versuchte, irgendein Gefühl, eine Schwingung in der Atmosphäre wahrzunehmen, die Gefahr signalisierte.
    Er fand nichts. Wenn hier oben eine unsichtbare Macht wirkte, dann war sie nicht zu erspüren. Sein Herzschlag beruhigte sich allmählich, und er fragte sich, ob das ganze Geheimnis der Priester nicht einfach nur die Angst war.
    Wenn man die Angst besiegte- konnte man dann auch die Priester besiegen?
    Nicht mit Waffen. Aber vielleicht, wenn man den Menschen des Tempeltals die Augen öffnete, wenn man ihnen die Furcht nahm? Charrus Blick glitt über die ausgestorbene Stadt, über die Menschen, die sich auf dem Plateau vor der Felswand im Hintergrund des Tals versammelt hatten. Nein, sie würden nie gegen die Priester rebellieren. Sie standen da in stummer Furcht, lauschten dem Klang der Trommel und der hohen, gespenstisch monotonen Melodie des Horns und warteten auf die Offenbarung.
    »Gehen wir näher heran«, murmelte Camelo mit gepreßter Stimme.
    Charru nickte nur.
    Schweigend glitten sie weiter, suchten sich ihren Weg zwischen Felsblöcken und niedrigem Dornengestrüpp. Hier oben gab es keine Wächter. Auch nicht drüben im Todestal, wo der schwarze Fluß entsprang, um sich schließlich im kochenden Nebel am Ende der Welt zu verlieren. Charru hatte nie begriffen, wie dieser Fluß überhaupt möglich war, wo das Wasser herkam. Sein Ursprung lag in den gleichen Felsen, aus denen die Götter hervortraten - Felsen, die ein geheimnisvolles Zentrum der Macht verbergen mußten...
    Sie hatten den Rand des Plateaus erreicht.
    Hier fielen die Wände nur wenige Meter schroff ab und gingen dann in sanfte, bewachsene Hänge über. Der Kuppelbau des Tempels verwehrte den Blick auf die Stadt, doch in den Straßen herrschte jetzt ohnehin kein Leben. Nur das Plateau vor der Felswand wurde von Fackeln erhellt. Dicht an dicht standen die Menschen und starrten hinauf zu der hoch aufgerichteten Gestalt des Oberpriesters in der roten Robe. Bar Nergal breitete die Arme aus. Immer lauter dröhnte die Trommel, der Ton des Horns wurde zum schrillen Kreischen - und von einer Sekunde zur anderen hing ein dumpfes Grollen in der Luft, das aus der Tiefe der Erde selbst zu kommen schien.
    Charru hielt den Atem an.
    Er sah, wie sich die Felswand öffnete, wie ein Riß im Gestein entstand, hörte das Krachen und Bersten. Das Trommeln verebbte. Mit einem Ton, der die Nerven bloßlegte, verstummte das Horn, und die Stille schien sich wie ein Leichentuch herabzusenken.
    Charru warf den Kopf herum.
    Er hatte geglaubt, gehofft, daß ihn seine Augen trogen, doch die unverhüllte Angst in den Gesichtern seiner Begleiter beseitigte jeden Zweifel. Auch sie sahen es. In der Felswand über dem Plateau hatte sich ein Tor aufgetan - und aus dem Dunkel trat etwas, schwärzer noch als schwarz, bei dessen Anblick sich Charru in kreatürlicher Furcht verkrampfte.
    Die schwarzen Götter.
    Einer von ihnen...
    Riesenhaft, doppelt so groß wie ein Mensch, umhüllt von einer dunklen, schimmernden Rüstung. Schwarz war auch das Gesicht: eine verzerrte Fratze mit entblößten Zähnen und rotglühendere Augen. Die Menge auf dem Plateau stöhnte auf, und selbst Bar Nergals hohe Gestalt schien zu erzittern.
    Ein dröhnendes, langgezogenes Brüllen brach sich zwischen den Felswänden.
    Die Menschen schrien, warfen sich in jähem Entsetzen nieder. Bar Nergal sank auf die Knie und streckte flehend die Arme empor. Dunkel begriff Charru, daß etwas anders sein mußte als sonst, daß die schwarzen Götter zürnten - und im nächsten Moment sah er die grellen Blitze, die aus den Augen des schrecklichen Wesens zuckten.
    Blitze, die die Nacht zerrissen, Bar Nergal zu Boden schleuderten, die Menschen in schreiende Wahnsinnige verwandelten. In panischem Schrecken warf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher