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Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit

Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit

Titel: Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit
Autoren: Maggie Furey
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    Alles sah aus wie immer. Die verstreuten Häuser der Wissenshütergemeinschaft waren unverändert, ihr flechtenbewachsener grauer Stein fügte sich unauffällig in die Umgebung, so als wären sie ein natürlicher Teil der Landschaft. Obwohl wie immer eine Wolkenbank tief über dem oberen See hing, glänzte das Wasser des unteren Sees im blassen, kühlen Sonnenlicht des frühen Herbstmorgens. Der Eichenwald, der die steilen Südhänge des Tals bedeckte, leuchtete in Bronze und Gold, und die abgeworfenen Blätter lagen wie gehortete Schätze auf den Wegen und bis ans Ufer der Seen.
    Für Gendival hätte es ein ganz gewöhnlicher Tag sein können, wäre da nicht diese befremdliche Einsamkeit gewesen. Für gewöhnlich gingen die Bewohner der Schattenbundsiedlung wie auch des unterhalb gelegenen Dorfes zu dieser Stunde ihrer Arbeit nach und hatten bei jeder Besorgung ein wenig Zeit übrig, um stehen zu bleiben und eine Unterhaltung anzufangen. Heute jedoch war kein gewöhnlicher Tag. Cergorn, der Archimandrit, war ernstlich verwundet und zeigte kaum noch Lebenswillen. Amaurn, der Abtrünnige, war zurückgekehrt, und es hatte sich herausgestellt, dass er in Gendival über eine Reihe heimlicher Unterstützer verfügte. Zwischen zwei altgedienten Wissenshütern, dem Furcht erregenden Maskulu mit seinem Tausendfüßlerleib und der einer Fangschrecke ähnlichen Skreeva, war es deshalb zum Kampf gekommen, wobei Erstgenannter ein Unterstützer des abtrünnigen Amaurn und Letztgenannte eine Spionin des Drachenvolkes war.
    Als Folge dieses Ereignisses hatte sich eine unnatürliche Stille über die Gemeinschaft gelegt. Die Dörfler saßen zu Hause bei ihren Familien in dem Bewusstsein, dass die Zukunft des Schattenbundes in der Schwebe hing, und gingen dessen Mitgliedern aus dem Weg, während diese sich an die Schlichtung der Streitigkeiten machten, die einen Keil in ihre Reihen getrieben hatten. Die altgedienten Wissenshüter – die wenigen, die sich noch in Gendival aufhielten – versammelten sich am Seeufer, und ihre Sache war es nun, für die bestürzenden Ereignisse der vergangenen Stunden eine vernünftige Erklärung zu finden und den Schattenbund wieder zu wirkungsreichem Zusammenhalt zu führen.
    Das war allerdings eine Versammlung, die Veldan liebend gern versäumte, und sie schätzte sich äußerst glücklich, dass sie zusammen mit Kaz und Elion gleich die Siedlung verlassen würden. Wenn alles gut ging, würden sie weit fort sein, ehe jemand dahinter kam, welche Rolle sie bei Amaurns plötzlichem Umsturzversuch gespielt hatten, und bis sie wieder zurückkehrten, wären die Auseinandersetzungen hoffentlich vorbei und die wichtigen Entscheidungen gefällt. Gemäß Amaurns Anweisung wollten sie flussabwärts zur Küste reisen, um ihre verschollenen Gefährten Toulac und Zavahl zu finden, die von Spähern des Drachenvolkes entführt worden waren. Zavahl trug den Geist ihres Sehers in sich, welcher der Hüter ihrer Stammeserinnerungen war, und die Drachen wollten ihn wiederhaben. Der Schattenbund jedoch war verzweifelt auf jenes Wissen angewiesen, und Amaurn war nicht bereit, ihn ziehen zu lassen.
    Veldan, Kazairl und Elion trennten sich am Seeufer von Amaurn. »Bist du sicher, dass wir nicht bleiben und dem Afanc die Sache mit Zavahl und dem Drachen erklären sollen?«, fragte Veldan mittels Gedankenübertragung. Bastiar war nun neben Maskulu der einzige Altgediente in Gendival. Angesichts seiner engen Freundschaft mit Cergorn hegte sie den Verdacht, dass er sich sehr deutlich dagegen aussprechen würde, den Zentauren durch diesen Eindringling aus der Vergangenheit ersetzen zu lassen, und dass es noch viel schwieriger sein würde, ihn zu überzeugen als die übrigen Wissenshüter. Allerdings war es Amaurn bereits gelungen, Cergorn die Zügel der Macht aus der Hand zu reißen. Ob er sie behalten würde, blieb noch abzuwarten.
    Amaurn schüttelte den Kopf. »Ich werde mit Bastiar zurechtkommen – und auch mit jedem anderen Gegner.« Sein Gesicht war starr und düster, als hätte er sich den Mantel Blanks wieder um die Schultern gelegt. Veldan fröstelte. Er benahm sich, als hätte es die Verbundenheit, die sie beide nach dem Kampf der Riesen auf der Lichtung empfunden hatten, nie gegeben. »Du und deine Freunde geht von hier fort«, sprach er weiter, »bevor ihr noch tiefer in diesen Streit hineingeratet. Ich werde Bailen eine Nachricht flussabwärts senden lassen, damit im Voraus für eure Weiterreise gesorgt ist.
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