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Im Bann der Leidenschaften

Im Bann der Leidenschaften

Titel: Im Bann der Leidenschaften
Autoren: Natalie Nimou
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Kapitel 1
    Ich schließe meine Augen. Die glatte, cremeweiße Oberfläche schmilzt unter dem sanften Druck meiner Zunge. Das ist der perfekte Moment, um zuzustoßen. Tausend und abertausend Male habe ich diesen Akt schon wiederholt. Doch er ist immer wieder genauso himmlisch wie beim ersten Mal. Meine Zunge durchstößt die dünne Schicht aus weißer Schokolade und taucht ein in die köstliche weiße Schaummasse. Dorthinein schleckert sie ein süßes Loch, in dem die Zunge langsam kreist. Bis nur noch eine dünne Außenhaut sie umgibt. Ich weiß, dass das bescheuert klingt. Aber wenn man seit Monaten keinen Sex hat, braucht man eine Ersatzbefriedigung. Mein Sex-Ersatz sind Küsse. Mini-Schoko-Küsse. Vorzugsweise die Weißen. Davon aber sehr viele, was meiner Figur leider nicht annähernd so gut bekommt wie meiner Seele.
    Der Schokokusskrater landet in meinem Mund und meine Hand greift nach dem nächsten Opfer. Da schrillt das Telefon. Missmutig lege ich den Hörer an mein Ohr, ziehe die Mundwinkel in die Höhe und haue meinen Begrüßungsspruch heraus.
    „Cherry Hill Hotel. Annie Salinger am Apparat. Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Abend. Wie darf ich Ihnen helfen?“ Von meinem eigenen Gesäusel wird mir übler als von zwei kompletten Schokokuss-Schachteln. Ich bin definitiv nicht geeignet für Kundenkontakt. Wäre meinen Eltern nicht der Nachtportier weggestorben (an Altersschwäche), säße ich bestimmt nicht hier.
    „ Dein Traummann ist auf dem Weg zu dir!“, brüllt die kräftige Stimme meiner Freundin Jane aus dem Hörer.
    Erschrocken sehe ich mich um. Es ist beinahe Mitternacht und ich habe das Gefühl, dass sich das Telefon soeben in einen Lautsprecher verwandelt hat. Doch natürlich ist da niemand außer mir. Schon seit Stunden sitze ich mein Leben ganz allein hinter dem Tresen in der kleinen Lobby ab. Ohne mein Schokokuss-Schmatzen ist es um mich herum fast totenstill. Aber das ist nicht ungewöhnlich. Nicht für jemanden, der in Cherry Hill lebt, dem mit Abstand verschlafensten Nest in New Jersey. Aber von wem zum Teufel spricht Jane? Ich habe keinen Traummann. Ich habe überhaupt keinen Mann. Für mich existiert ja noch nicht mal ein Anwärter auf die Position des Liebsten. Nicht in Cherry Hill. Und woanders werde ich niemals hinkommen, wenn ich entweder meinen Eltern mit Nachtdiensten aushelfe oder Werbebroschüren für andere Hotels übersetze. Von Französisch in Englisch und umgekehrt.
    „Du kannst nicht bis an dein Lebensende um Jack trauern“, beginnt meine älteste und beste Freundin mit ihrer Litanei. Sie selbst sitzt um diese Zeit am entgegen gesetzten Ende der Stadt, in dem Glaskabuff der einzigen Tankstelle unseres Ortes. Sie hat gut reden. Obwohl sie drei Jahre jünger ist als ich, ist sie bereits seit fünf Jahren mit einem herzensguten Mann verheiratet. Trotz ihres üppigen Übergewichts, liebt er sie exakt so wie sie ist. Und zwei süße Kinder hat sie obendrein.
    „ Du bist Ende zwanzig, siehst toll aus und bist talentiert!“, fährt Jane fort, als ich schweigend grolle. „Vergiss Jack-den-Idioten endlich! Soll er doch mit Gretchen-der-Kuh aus dem Imbiss glücklich werden. Nimm wieder am Leben teil! Und wenn du nur so tust als ob. Der Rest ergibt sich dann von selbst. Kostenlose Lebensweisheit von Jane. Und ich sage dir: Der ist der Richtige! Du weißt, dass ich einen Blick für die wahre Liebe habe. Der Typ, der soeben in meiner Tankstelle nach dem Weg gefragt hat, ist DEIN Mann. Den musst du dir schnappen! Bei uns im Kaff, zwischen all den Hill Billys, wirst du nie einen finden, der zu dir passt. Willst du meine ehrliche Meinung hören?“
    Will ich nicht, aber Jane kennt keine Gnade.
    „Annie-Schatz, du musst raus hier“, fährt sie fort, „ab in die große weite Welt. Schnapp dir den Kerl, der gleich zu dir kommt. Ich hab ihm erzählt, euer Hotel wäre das einzige in der Stadt. Der ist so fix und alle und müde, dass er alles glaubt. Also ran an den Speck! Und wenn du in ein paar Jahren mit ihm verheiratet bist, in einer hübschen Stadt in einem noch viel hübscheren Haus residierst, Annie, dann vergiss niemals, dass dich deine allerbeste und allerliebste Freundin Jane zu deinem großen Glück gezwungen hat. In einer schwülen Julinacht.“
    Meine Freundin Jane, wie sie leibt und lebt! Im Gegensatz zu mir sprudeln die Worte nur so aus ihr heraus. Dafür muss sie sich gar nicht anstrengen. Ganz von allein geht das. Sie ist eine Meisterin des Smalltalks, eine grandiose
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