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Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Titel: Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein
Autoren: Susanne U. Wiemer
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Ebenen loderte der Scheiterhaufen wie ein flammendes Fanal, weithin sichtbar.
    Der dunkle Klang der Trommel mischte sich mit der Totenklage. Reglos standen die Männer und Frauen der Stämme im Halbkreis. Schwerter klirrten leise, die rituellen Gewänder schimmerten im Widerschein des Feuers. Charru trug den blauen Königsmantel, der schwer an seinen Schultern zerrte. Camelo von Landre stand hinter ihm, neben sich sah er Jarlons funkelnde Augen und das schöne, sanfte Gesicht seiner Schwester Arliss.
    Das Trommeln schwoll an.
    Prasselnd sank der Scheiterhaufen in sich zusammen, Flammen hüllten die Gestalt des Toten ein. Gerinth trat in den Halbkreis. Gerinth, der Älteste, der dem neuen Fürsten von Mornag die Fackel gereicht hatte und aus dessen Händen er die Insignien der Macht entgegennehmen würde.
    Charru kniete nieder.
    Sein Herz schlug heftig, als er in das Gesicht des alten Mannes blickte. Gerinths Greisenhände drückten ihm den schimmernden Königsreif ins Haar, und Gerinth reichte ihm das Schwert mit dem goldenen Griff, der die heilige Flamme nachbildete.
    »Das Schwert des Schwurs«, sagte der Alte laut. »Mein Eid und unser aller Eid für dich. Heil dir, Fürst von Mornag! Heil dir, Charru...«
    »Heil, Charru!« nahmen Hunderte von Stimmen die Worte auf, und der Ruf schien über die Ebene dahinzubrausen wie ein Windstoß.
    Charrus Blick wanderte von dem erlöschenden Scheiterhaufen zu der Mauer, die das Tempeltal abschirmte. Langsam schob er das Schwert seines Vaters in die Scheide. Er ahnte, daß es nicht lange dauern würde, bis er es brauchte...
II
    Unter der glänzenden Kuppel des Mondsteins war der Scheiterhaufen nur ein Funke, der langsam erlosch.
    Simon Jessardin hob den Kopf und warf seinem Gast einen forschenden Blick zu. Der Generalgouverneur der Venus betrachtete fasziniert die winzigen Figürchen, die sich abwandten und ihrer Spielzeugstadt zustrebten. Conal Nords Blick wanderte zu dem Tal hinter der Mauer, zu der ungleich prächtigeren Tempelstadt, und kehrte zu der Gruppe zurück, in deren Mitte sich die Gestalt mit dem Goldreif im schwarzen Haar bewegte.
    »Warum hat er das getan?« fragte der Venusier langsam.
    »Was getan, mein Freund?«
    »Dieses barbarische Ritual, die Feuerbestattung! Es ist wider die Vernunft. Er muß wissen, daß es seinen eigenen Tod zur Folge haben kann. Warum tat er es dennoch?«
    Der Präsident der Vereinigten Planeten lächelte. »Gefühle, mein Freund. Fragen Sie den wissenschaftlichen Leiter, er kann es Ihnen vermutlich besser erklären als ich. Alle Versuchsreihen bestätigen es, und im übrigen ergibt es sich auch aus dem Studium irdischer Geschichte, daß in der Frühzeit bei einem großen Teil gewaltsamer Auseinandersetzungen der Begriff der Ehre eine Schlüsselrolle spielte.«
    »Ah! Aber wenn er weiß, daß es ihn den Hals kostet! Es ist doch Narrheit!«
    »Selbstverständlich ist es Narrheit. Um das Studium solcher Narrheiten der irdischen Vergangenheit zu ermöglichen, haben wir den Mondstein ja geschaffen.«
    Nord schüttelte den Kopf. Einen Augenblick nahm sein ebenmäßiges venusisches Gesicht einen nachdenklichen Zug an.
    »Seltsam. So ähnlich muß es damals in den Köpfen der Merkur-Siedler ausgesehen haben.«
    »Merkur-Siedler?«
    Simon Jessardin runzelte die Stirn. Der Venusier warf ihm einen raschen Blick zu.
    »Sie erinnern sich nicht? Diese Gruppe von Siedlern, die auf dem Merkur Fuß fassen wollte, durchweg junge Leute, ursprünglich vom Rat der Vereinigten Planeten für dieses Projekt ausgewählt. Es war zum Scheitern verurteilt, der Merkur erwies sich als unbewohnbar. Aber einige wenige Siedler weigerten sich aufzugeben. Sie wollten den Merkur für sich, für irgendeine Art von lächerlicher neuer Gesellschaftsform. Es war wider alle Vernunft. Und selbstverständlich war es gegen das Gesetz: eine Vergeudung von Kräften, die auf diese Weise der Gemeinschaft entzogen wurden.«
    »Richtig, jetzt erinnere ich mich«, sagte Jessardin. »Ein Teil des Rats wollte sie damals als Rebellen eliminieren. Ich stimmte dagegen, so viel Zähigkeit und Energie zu verschwenden.«
    »Worauf die ganze Gruppe auf den Mond deportiert wurde, um ihre Zähigkeit und Energie in den Bergwerken für Staat und Gesellschaft einzusetzen.«
    In der Stimme des Venusiers schwang ein seltsamer Ton mit. Jessardin hob überrascht die Brauen: er spürte, daß der andere von den Ereignissen, die er erwähnt hatte, in irgendeiner Weise persönlich betroffen war. Gefühle?
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