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Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Titel: Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein
Autoren: Susanne U. Wiemer
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dem Weiterleben vorgezogen.
    »Es wird Krieg geben«, sagte Gerinth leise.
    »Und wenn!« rief Jarlon hitzig. »Sollen wir meinen Vater den Priestern überlassen? Charru hat geschworen!«
    »Ja.« Camelo von Landre legte die Hand auf den Schwertknauf. »Und ich habe ebenfalls geschworen: Charru die Blutsbrüderschaft und dem Fürsten Gefolgschaft! Mir hat kein schwarzer Gott offenbart, daß das Feuer unrein ist. Und die schwarzen Götter, die aus dem Felsen kommen, haben das Tiefland nie betreten!«
    Wieder wurde es still.
    Aus der Stadt jenseits der Mauer klang dumpf die große Trommel, die zur abendlichen Versammlung rief. Bald würden die Schreie derer herüberklingen, die von den Priestern für das Verbrechen des Ungehorsams oder Hochmuts mit glühenden Ruten gepeitscht wurden. Wie es die schwarzen Götter befahlen!
    Die Götter, die manchmal durch das Tor in der Felswand unterhalb des Todestales kamen - so hieß es wenigstens. Charru preßte die Lippen zusammen und fragte sich, ob Bar Nergal es wagen würde, den König der Tiefland-Stämme vor das Gericht der Priester zu stellen.
    Die Feuerbestattung war Frevel - sagten die Priester. Aber die Tieflandstämme hatten ihre Toten von jeher dem Scheiterhaufen übergeben. Charrus Blick suchte die nebelgrauen Augen des alten Mannes.
    »Du rätst dagegen, Gerinth?« fragte er ruhig.
    Sekunden verstrichen.
    Der alte Mann schien durch alles hindurchzusehen. Dann atmete er tief, und seine Stimme klang metallen.
    »Ich rate nicht dagegen«, sagte er hart. »Es ist nicht klug, aber dies ist nicht die Stunde der Klugheit. Tu, was du mußt, Charru, und ich selbst werde dir die Fackel reichen.«
    *
    Die Stufen der Tempelpyramide lagen im flackernden Licht der Fackeln.
    Bar Nergals Robe leuchtete in düsterem Karmesin. In der Hand des Oberpriesters lag noch das Opfermesser, aus der aufgerissenen Kehle des Fasans troff Blut in die goldene Schale. Dumpf dröhnte die Trommel und übertönte das Ächzen des letzten Verurteilten, der mit emporgereckten Armen in den Ketten des schwarzen Obelisken hing.
    Zwei Priester machten ihn los und schleiften ihn über die Plattform zu den anderen. Im Schatten der Götterstatuen lagen sie auf den Knien, um die Nacht in Reue und Gebet zu verbringen. Bar Nergals schwarze Augen funkelten. Sein Gesicht glich einem Totenschädel, fahl und erbarmungslos. Nie hatte jemand die dünnen, blutleeren Lippen lächeln gesehen.
    Mit dem Opfermesser in der Hand verharrte er, bis sich die Menge auf dem Platz am Fuß des Tempels zerstreute.
    Die Priester in ihren schwarzen und die Akolythen und Schüler in den blauen und staubfarbenen Roben neigten ehrerbietig die Köpfe. Bar Nergals Blick glitt über die goldene Stadt. Seine Stadt! Die Stadt der schwarzen Götter. Mit einem letzten dumpfen Wirbel verstummte die große Trommel. Bar Nergal wollte sich abwenden, doch dann verharrte er, als er von Ferne den Widerhall des Trommelns hörte.
    War das noch Widerhall?
    Der Oberpriester hob seinen schmalen Schädel und lauschte. Nein, das waren andere Trommeln. Und er hörte den dunklen, eigentümlich monotonen Gesang, der sich hineinmischte. Es waren die Trommeln der Tieflandstämme. Und es gab nur einen Anlaß, zu dem diese Ketzer und Barbaren die Trommel schlugen.
    Ruckartig schwang Bar Nergal herum.
    Die Priester hatten Mühe, ihm über die Plattform zu den Treppen zu folgen, die zu beiden Seiten des großen Tores nach oben führten. Bar Nergals blutrote Robe schleifte über die Stufen. Rasch stieg er aufwärts, mit einer Kraft, die nicht in seinem Greisenkörper, sondern in der Tiefe eines aufs äußerste gespannten Geistes wurzelte. Seine schwarzen Augen funkelten auf, als er die höchste Spitze der Tempelpyramide erreichte und das Tiefland überblicken konnte.
    Nacht lag über den Ebenen.
    Eine Nacht, der die ewigen Flammenwände ihr unruhiges, waberndes Licht liehen.
    Auf dem Plateau zwischen der Stadt Mornag und den Drei Fingern loderte unübersehbar ein Scheiterhaufen, und Bar Nergal wußte, daß die Tieflandstämme den Leichnam ihres Fürsten dem Feuer übergaben.
    »Häresie!« flüsterte der Oberpriester. »Frevel! Lästerung!«
    Sein Mund wurde schmal wie ein Messerrücken.
    Er wandte sich um. Die Priester und Akolythen warteten - warteten auf das Urteil.
    »Nur Blut kann den Frevel abwaschen«, sagte Bar Nergal schneidend. »Die Götter verlangen ein Opfer.« Und mit einem tiefen, pfeifenden Atemzug: »Erlend von Mornag hatte eine Tochter...«
    *
    Über den
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