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Der Knochenbrecher

Der Knochenbrecher

Titel: Der Knochenbrecher
Autoren: Chris Carter
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1
    Dr. Jonathan Winston zog sich die Maske über Mund und Nase und warf einen Blick auf die Uhr des Sektionssaals Nummer 4 im Untergeschoss des Rechtsmedizinischen Instituts von Los Angeles. Es war achtzehn Uhr zwölf.
    Vor ihm auf dem Stahltisch lag die Leiche einer nicht identifizierten Frau. Sie war Ende zwanzig bis Anfang dreißig, ihre schulterlangen schwarzen Haare klebten in nassen Strähnen am Tisch. Im Licht der OP -Lampe sah ihre bleiche Haut aus wie Gummi, beinahe als wäre sie nicht menschlich. Die Todesursache hatte am Fundort der Leiche nicht festgestellt werden können. Es gab kein Blut, keine Schuss- oder Stichverletzungen, keine Hämatome, keine Abschürfungen an Kopf oder Körper und keine Würgemale am Hals. Ihr Körper wies nicht eine einzige Verletzung auf – abgesehen davon, dass jemand ihr Mund und Vagina zugenäht hatte. Das dafür verwendete Garn war dick und steif, die Stiche waren unregelmäßig und ohne jede Sorgfalt ausgeführt.
    Â»Sind wir dann so weit?«, wandte sich Dr. Winston an seinen jungen Sektionsassistenten Sean Hannay.
    Dessen Blick war starr auf die zugenähten Lippen der Toten gerichtet. Aus irgendeinem Grund war er nervöser als sonst vor einer Obduktion.
    Â»Sean, können wir anfangen?«
    Â»Ã„h, ja, Doktor, tut mir leid.« Hannay sah zu Dr. Wins­ton auf und nickte. »Es ist alles vorbereitet.« Er nahm seinen Platz rechts vom Tisch ein, während Dr. Winston das digitale Diktiergerät einschaltete, das er neben sich auf den Tresen gestellt hatte.
    Er nannte Datum und Uhrzeit, die Namen der Anwesenden sowie das Aktenzeichen des Falls. Gemessen und gewogen war die Tote bereits, also konnte direkt mit der äußeren Leichenschau begonnen werden. Bevor er zum Skalpell griff, untersuchte Dr. Winston die Leiche gründlich, wobei er insbesondere nach körperlichen Merkmalen Ausschau hielt, die eventuell bei der Identifikation hilfreich sein konn­ten. Als sein Blick zu den Stichen am Unterleib des Opfers wanderte, stutzte er plötzlich und kniff die Augen zusammen.
    Â»Einen Moment mal«, murmelte er, trat näher an die Tote heran und schob ihr behutsam die Beine auseinander. »Sean, geben Sie mir bitte mal die Taschenlampe.« Ohne aufzuschauen, streckte er dem Sektionsassistenten die Hand hin. Ein Ausdruck der Besorgnis trat in sein Gesicht.
    Â»Stimmt was nicht?«, wollte Hannay wissen, während er Dr. Winston eine kleine Taschenlampe reichte.
    Â»Ich weiß noch nicht genau.« Winston richtete den Strahl der Lampe auf die Stelle an der Leiche, die seine Aufmerksamkeit erregt hatte.
    Hannay trat von einem Fuß auf den anderen.
    Â»Für die Naht wurde kein chirurgischer Faden verwendet«, sagte Dr. Winston ins Diktiergerät. »Die Stiche sind dilettantisch und ungleichmäßig ausgeführt.« Er ging noch ein Stück dichter heran. »Außerdem sind die Abstände zwischen den einzelnen Stichen sehr groß, und …« Er hielt inne und legte den Kopf schief. »… Das kann doch nicht sein.«
    Hannay spürte, wie es ihm kalt den Rücken herunterlief. »Was ist denn?« Er trat näher.
    Dr. Winston holte tief Luft, bevor er langsam den Kopf hob. »Ich glaube, der Täter hat ihr etwas in den Unterleib eingeführt.«
    Â»Was?«
    Dr. Winston sah noch einige Sekunden lang aufmerksam in den Strahl der Taschenlampe, dann hatte er Gewissheit. »Irgendwas in ihrem Körper reflektiert das Licht.«
    Hannay beugte sich vor und folgte dem Blick des Rechtsmediziners. Es dauerte eine Weile, dann sah auch er es. »Verdammt, Sie haben recht. Das Licht wird tatsächlich reflektiert. Aber wovon?«
    Â»Ich weiß es nicht, aber auf jeden Fall ist es groß genug, dass man es zwischen den Stichen hindurch sehen kann.«
    Dr. Winston richtete sich auf und nahm einen kleinen metallenen Zeigestab vom Instrumententablett.
    Â»Sean, halten Sie bitte das Licht für mich. So.« Er übergab dem jungen Assistenten die Taschenlampe und zeigte ihm, wohin er leuchten sollte. Dann beugte er sich vor und schob die Spitze des Stabs langsam zwischen zwei Stichen hindurch.
    Hannay hielt die Taschenlampe ganz ruhig.
    Â»Es ist irgendwas Metallisches«, verkündete Dr. Wins­ton, der den Zeigestab benutzte, um das Objekt vorsichtig abzutasten. »Aber ich kann immer noch nicht genau sagen, was. Geben Sie mir Fadenschere und Pinzette,
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