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Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Titel: Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein
Autoren: Susanne U. Wiemer
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du unbedingt den Krieg?«
    »Und willst du die Unterwerfung, die Sklaverei?«
    »Ich will es nicht«, sagte Gerinth ruhig. »Aber bedenke, daß die Felsen tabu sind. Es heißt, daß die schwarzen Götter jeden zerschmettern, der seinen Fuß wider ihren Willen auf den verbotenen Boden setzt.«
    »Wenn es wirkliche Götter sind«, sagte Charru hart.
    »Du glaubst nicht daran?«
    »Würde ich mich sonst ihrem Blitzstrahl aussetzen?«
    »Ja, das würdest du«, sagte Gerinth mit einem matten Lächeln. »Allein, um die Wahrheit zu erfahren. Glaubst du, ich weiß nicht, wie sehr der Ruf der Trommel schon früher an dir gezerrt hat? Du wolltest es immer wissen, aber du hast das Verbot deines Vaters geachtet. Ich kann nur raten, nicht verbieten. Jetzt mußt du selbst entscheiden.«
    »Ich komme mit«, sagte Karstein, ohne Charrus Antwort abzuwarten.
    »Ich ebenfalls!« Camelo sprang auf.
    »Und ich...«
    »Nein, nicht du, Jarlon. Niemand außer uns dreien. Wenn wir nicht zurückkommen, verbiete ich jedem, nach uns zu suchen. Jarlon, du wirst Gerinths Rat folgen, in allem. Versprich es!«
    Die Augen des Jungen funkelten rebellisch. Aber er wußte, daß es jetzt keinen Widerspruch geben konnte, und nickte.
    »Ich verspreche es.«
    »Gut. Karstein, Camelo?«
    Die beiden Männer standen auf.
    Karstein trug den rostigen Brustpanzer, den er von seinen Vätern ererbt hatte und nur selten anlegte.
    Camelo ließ mit einer ungeduldigen Bewegung den rituellen Mantel von den Schultern gleiten. Beide hatten in einer unbewußten Gebärde die Fäuste um die Schwertgriffe gespannt, und fast erstaunt wurde sich Charru bewußt, daß er es ihnen gleichtat.
    Was vermochten Schwerter gegen den Bannstrahl der Götter?
    Nichts, dachte Charru kalt. Aber die Priester fürchteten das Schwert, und wenn es darauf ankam, würden nicht einmal die Götter sie gegen den blanken Stahl schützen. Vielleicht nicht! Wenn die schwarzen Götter Betrug und Blendwerk waren. Wenn, wenn, wenn...
    Charru fühlte Gerinths forschenden Blick und den verzweifelten seiner Schwester. Arliss hatte ihr Leben lang die Drohung gespürt, eine Drohung, gegen die sie sich nicht einmal wehren konnte, weil sie eine Frau war. Im Tempeltal galten Frauen nicht viel mehr als Vieh. Im Tiefland hatten sie Sitz und Stimme im Rat, auch wenn sie kein Schwert trugen. Aber wenn die Priester die Tiefland-Stämme unterwarfen, würde auch Arliss nur noch Sklavin sein, und sie wußte, daß sie ihren Bruder nicht zurückhalten durfte.
    Draußen war die Luft kühl und weich wie Samt, erfüllt vom dunklen Klang der Trommel.
    Charru ging voran. Die drei Männer hielten sich dicht beieinander, durchquerten den Waldgürtel und traten in den unruhigen, dunstig roten Widerschein der Flammenwände hinaus. Ihre Welt war klein und übersichtlich. Sie alle hatten seit ihrer Geburt in den Steppen des Tieflands gelebt und gelernt, sich selbst noch auf den tischflachen Ebenen mit ihren spärlichen Dornbüschen und verstreuten Felsen unsichtbar zu machen. Und sie hatten auch gelernt, daß Schweigen besser war als Reden. Von Generation zu Generation hatte sich das geheimnisvolle Wissen vererbt. Niemand, der unter dem Mondstein lebte, wußte etwas von der Außenwelt, von den neugierigen Augen und den akustischen Überwachungsanlagen. Und doch war aus den dunklen Kammern der Überlieferung die Ahnung gekommen, daß die Bäume und Felsen Ohren hatten und daß nichts leichtfertig ausgesprochen werden durfte...
    Die Felswand!
    Schroff stieg sie empor und bildete einen rechten Winkel mit den Flammenwänden. Sie wurde bewacht, doch Charru hatte schon als Junge bemerkt, daß sich die Wächter nicht gern nah an die ewigen Flammen heranwagten. Die Steine glommen in einem phantastischen Farbenspiel von Zinnober und Karmesin. Wie der Feueratem der legendären Drachen schien die Hitze die Luft zu füllen. Eine helle, flimmernde Luft, in der das Atmen schwer fiel. Charru war oft hier gewesen, hatte oft der Glut getrotzt in jenem blinden, sinnlosen Verlangen: zu ergründen, was hinter den Flammenwänden lag. Es war nicht zu ergründen. Kein Lebender konnte das - und doch fühlte Charru selbst jetzt noch den dunklen Sog, der ihn in seiner Kindheit immer wieder hierhergezogen hatte.
    Die Steine waren heiß unter seinen tastenden Fingern.
    Als er aufwärts stieg, packte ihn sekundenlang die alte Furcht, die Angst vor dem Tabu, das er nie anerkannt hatte. Sie kletterten nicht zum erstenmal in die Felsen hinauf. Schon als Kinder
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