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Socken mit Honig

Socken mit Honig

Titel: Socken mit Honig
Autoren: Gabriele Kowitz
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dass man sich keine Sorgen zu machen braucht, und
gut, fast paradiesisch leben kann. Offenbar scheint das für alle zuzutreffen.
Für alle – nur für mich nicht oder nicht mehr:
    Es ist Sonntagmorgen, besser gesagt später Vormittag, mein
Mann und ich bereiten das Familienfrühstück vor. Ein gemütliches, ausgiebiges
Frühstück, ohne Zeitdruck, ohne vorheriges Frühaufstehen. Wer möchte, darf im
Schlafanzug oder Bademantel kommen. Wir kochen Kaffee, wir backen Brötchen, wir
kochen Eier weich. Es gibt frischen Orangensaft. Wir stellen Marmeladen, Käse
und Wurst auf den Tisch, zünden eine Kerze an. In unseren Kaffee soll neben
Zucker aufgeschäumte Milch. Köstlich. Ich will die Milchpackung aus dem Kühlschrank
nehmen, fasse sie versehentlich zu weit oben an, bekomme aber noch den Deckel
zwischen die Finger und hebe die Milch aus der Kühlschranktüre. Leider ist der
Deckel nicht richtig zu. Die noch fast volle Milchpackung ist zu schwer für den
nicht vollständig zugedrehten Deckel und die Art wie ich sie halten will.
Folglich rutscht sie aus dem Gewinde heraus und fällt – plumps – auf den Boden.
Mein Vater nahm sich bei schweren Missgeschicken ab und zu heraus ‚Heil Hitler‘
zu schimpfen, womit er sich regelmäßig einen vorwurfsvollen Blick meiner Mutter
einhandelte. Mit solchen Worten muss man heute extrem vorsichtig umgehen, zu
leicht können Missverständnisse entstehen. Ich schimpfe lieber „So eine Sch …“
und handele mir umgehend einen vorwurfsvollen Blick meines Mannes ein. Ich
stehe da im Milchsee, bespritzt von oben bis unten. Auch die Front des
Kühlschrankes und des sich darunter befindlichen Tiefkühlschrankes sind
deutlich von Milch gezeichnet. Ein Küchenpapier reicht da nicht. Ich gucke
etwas hilflos, denn eigentlich müsste ich in den Keller gehen, um Putzeimer und
Aufnehmer zu holen, weiß aber nicht, wie ich meine Füße bewegen soll, ohne den
Milchsee mit meinen Hausschuhen durch die gesamte Küche ins Esszimmer über die
Treppe in den Keller zu tragen. Mein Mann lacht. Er versucht, unseren Kater
festzuhalten, der – so wie alle Katzen – keine Milch haben soll, aber zu gerne
welche bekäme. Als ich Mann und Kater miteinander kämpfen sehe, muss ich auch
lachen.  Schließlich setzt mein Mann den Kater auf der Terrasse ab und zieht
die Türe zu, kommt zurück und reicht mir eine Hand. Ich lasse meine Schuhe im
Stich, indem ich sie ausziehe und mit einem ganz großen Schritt aus dem
Milchgefängnis trete, sozusagen auf sicheren Boden. Schnell ab in den Keller,
Eile ist geboten, der Milchsee wird größer, droht sich von alleine in der ganzen
Küche auszubreiten. Gemeinsam wischen wir die Milch auf, entfernen die
Fußleiste des Tiefkühlschrankes, denn selbstverständlich konnte die Fußleiste
die Milch nicht aufhalten, vielmehr müssen wir noch unter dem Tiefkühler
putzen, was nicht einfach ist, denn zwischen Fußbodenfliesen und dem Boden der
Küchenzeile sind nur wenige Zentimeter Raum. Sehr wenige Zentimeter. Vielleicht
nur einer oder zwei. Wir bemühen uns redlich, alle Milch aufzuwischen, nicht
unbedingt weil mein Mann oder ich einen Reinlichkeitsfimmel hätten, sondern
weil wir eine Fußbodenheizung haben, die die Milch unweigerlich sehr schnell
sauer werden lässt. Der darauf folgende Käsegeruch würde zwangsläufig wochenlang
nicht nur in der Küche die Luft verpesten. Übrigens wird die Milch auch ohne
Fußbodenheizung sauer. Soviel zu Milch und angenehm!
    Mein Mann nimmt eine frische, noch ungeöffnete Milchpackung
aus dem Kühlschrank und schaltet den Milchaufschäumer an. Ich will zu den
Marmeladen noch Nutella und Honig auf den Tisch stellen, öffne den Küchenschrank
und greife zunächst nach der Nutella. Bewusst will ich sie nicht am Deckel
anfassen. Kaum habe ich das Glas in der Hand spüre ich, dass meine Finger
beschmiert sind. Da muss es wieder mal ein Schleckermaul gegeben haben, das
beim Schlecken aus dem Glas nicht nur in seinen Mund geschleckt hat! Gleichmütig
– nach der Milch wirft mich eine solche Kleinigkeit nicht aus der Bahn – gehe
ich zum Spülstein, wische das Glas sauber und wasche meine Hände. Ich stelle
die Nutella auf den Tisch. In der Zwischenzeit hätte mein Mann den Honig auf
den Tisch stellen können. Hat er aber nicht. Stattdessen ist der Küchenschrank
wieder zu. „Wolltest du keinen Honig?“, frage ich und öffne den Schrank wieder.
„Doch schon“, antwortet mein Mann leicht zögerlich. Ich nehme das Honigglas
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