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Socken mit Honig

Socken mit Honig

Titel: Socken mit Honig
Autoren: Gabriele Kowitz
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Julias Wunsch ebenfalls berechtigt ist“, erprobe ich mein diplomatisches Geschick.
„Wie wäre es, wenn die beiden Männer den Ausflug machen“, schlage ich meinem
Mann und unserem Sohn vor, „während wir beide uns um dein Zimmer kümmern?“,
fahre ich mit Blick auf Julia gerichtet fort. Ich habe entschieden, dass ich
nicht am ‚Schön-Wetter-Programm‘ teilnehmen möchte. Meine sportlichen Leistungen,
Fahrradfahren eingeschlossen, entsprechen ungefähr denen eines Analphabeten
beim Lesen. Eine Tour bis zum See, der gefühlte 50 km entfernt ist, wäre für
mich mit Sicherheit kein Spaß. An den Muskelkater am nächsten Tag will ich gar
nicht erst denken. Die Alternative des Zimmer Renovierens birgt einen gewissen
Reiz. Ich könnte Kreativität einbringen, etwas Schönes schaffen. Wenn Julia mir
bei der Arbeit hilft, sollten wir an einem Wochenende fertig werden können.
    Für einen Moment herrscht Schweigen. Das ist nicht das, was
sie sich vorgestellt haben. Mein Mann erkennt als erster, welche Vorteile mein
Vorschlag für ihn beinhaltet. „Heißt das, dass ich euch nicht zu helfen brauche?
So gar nicht? Kein kleines bisschen?“ Bevor seine Freude zu groß wird, baue ich
vor: „Es würde mir genügen, wenn ihr für eure Verpflegung selber sorgen könntet.
Nur für den Fall, dass ihr Kartoffelsalat und Frikadellen mitnehmen möchtet,
fände ich es sehr nett, wenn ihr für uns auch zwei Portionen einplant.“ Ich
blicke in die Runde und sehe dreifaches Kopfnicken. Der Deal gilt. Die Männer
empfinden es als eine Art Herausforderung, ihr Essen selbst vorzubereiten und
bitten darum, dass ich mich nicht einmischen möge. Die gleiche Bitte, die ich
bezüglich der Renovierungsarbeiten stelle. Sie planen die Route, pumpen die
Fahrräder auf, holen Schlafsäcke, Luftmatratzen und Zelt aus dem Keller, packen
Waschzeug, Wäsche zum Wechseln und Schlafanzüge ein. Julia und ich messen die
Wände aus und fahren in den Baumarkt. Meine Tochter weiß genau, was sie will.
Die eine schmale Wand soll weiß mit Muster werden, die gegenüberliegende
schwarz. Die beiden langen Wände dürfen ein kräftigeres Muster haben, am
liebsten grün schwarz und weiß. Schnell haben wir gefunden, was wir möchten.
Als wir wieder nach Hause kommen, stehen Hans und Leo in der Küche, schälen
Kartoffeln und braten Frikadellen. Die Küche sieht schlimmer aus als ich
befürchtet habe. Ich will nach einem Wischlappen greifen, werde aber des Raumes
verwiesen: „Misch dich nicht ein, wir können das alleine.“ Julia und ich verschwinden
mit Leiter, Müllsäcken und Tapetenlöser in ihrem Zimmer. Schwungvoll beginnen
wir mit der Arbeit. Die Tapeten sind beinahe ab, da stecken Hans und Leo
vorsichtig die Köpfe zur Türe herein. Sie wollen sich verabschieden. „Euer
Essen steht im Kühlschrank. Tschüss, wir sind jetzt weg!“ Eilig verschwinden
sie, von Umarmung oder Küsschen halten sie nichts – Julia und ich sind wohl
schon zu schmutzig geworden. „Habt ihr auch alles?“, frage ich noch. „Wie habt
ihr die Sachen auf den Fahrrädern verstaut?“. – „Mach dir keine Sorgen, wir schaffen
das schon“, tönt mein Sohn. „Misch dich nicht ein, wenn wir Männer unser Ding
machen“, lacht mein Mann. Sie haben sich vom Nachbarn einen Fahrradanhänger
geliehen. Darauf haben sie alles Nötige gepackt, obendrüber eine Wolldecke,
irgendwie mit einer Schnur festgebunden. Gut gelaunt radeln sie los. Julia und
ich winken den beiden nach.
    Auch wir Frauen machen unser Ding. Wir kommen zügig voran.
Über eventuelle Schwierigkeiten, die wir haben, schweigen wir uns aus, denn
niemals würden wir zugeben, dass wir nicht alleine zu Recht kommen! Am
Nachmittag haben wir wie aus heiterem Himmel das dringende Bedürfnis, noch eine
Rolle von der grün-weiß-schwarz gemusterten Tapete zu kaufen. Aus mir völlig
unerklärlichen Gründen, die natürlich rein gar nichts mit Verrechnen zu tun
haben können, fehlen ungefähr zwei Meter. Wir springen ins Auto. Auf dem Weg
zum Baumarkt sieht Julia zufällig am Wegrand ein großes Paket liegen. „Schau
mal, Mama. Das sieht aus wie unser Zelt.“ – „Ja, richtig“, stimme ich zu. „Da
hat wohl jemand sein Zelt verloren. Wir werden es aufheben und zum Fundbüro
bringen.“ Wenige Meter weiter finde ich noch einen Schlafsack und nehme ihn
ebenfalls mit.
    Bis zum Abend haben wir schon drei Wände fertig. Wir sind
ziemlich erschöpft – ich gebe zu, dass die Arbeit anstrengend war, aber wir
sind auch stolz
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