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Socken mit Honig

Socken mit Honig

Titel: Socken mit Honig
Autoren: Gabriele Kowitz
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auf das, was wir geschafft haben. Wir lassen uns Kartoffelsalat
und Frikadellen schmecken. Gerne gestehe ich, dass es richtig lecker ist. Ich
genieße es, mich ausnahmsweise mal nicht um das Essen gekümmert zu haben. „Die
Männer haben gar nicht so schlecht gekocht“, räumt meine Tochter anerkennend
ein. In dem Moment klingelt das Telefon. Mein Mann hat ein Problem: „Stell dir
vor, wir kommen am Zeltplatz an und das Zelt ist weg. Und auch ein Schlafsack.
Einfach nicht mehr da. Das müssen wir unterwegs verloren haben“, erklärt er.
Dabei klingt er eher amüsiert als verzweifelt. Zu unglaubwürdig hört sich seine
Geschichte an. Ich kann mir das Lachen nicht verkneifen. Mühsam beruhige ich
mich wieder und bringe die Frage hervor, wie man denn um alles in der Welt ein
Zelt verlieren kann. Das merkt man doch! Das fehlende Gewicht fällt auf beim
Fahren, plötzlich tritt man leichter in die Pedale. Das hört man doch! So ein
Zelt fällt nicht lautlos aus dem Anhänger. Das sieht man doch! Die Männer sind
zu zweit unterwegs. Das springt einem ins Auge, wenn auf einmal der Anhänger
halb leer ist. Mein Mann versucht mir glaubhaft zu machen, dass sie nichts
bemerkt hätten. Sie hätten nichts gehört und nichts gesehen. Kein Übel geahnt.
Als sie auf dem Zeltplatz angekommen sind, haben sie die Platzmiete bezahlt und
gleich danach die Decke ausgebreitet und sich mit dem mitgebrachten
Kartoffelsalat und den Frikadellen ein Picknick gegönnt. „Ihr habt die Decke
ausgebreitet, die ihr über den Anhänger gelegt hattet?“, unterbreche ich die
Erzählung. „Ja, genau die“, bestätigt mein Mann. Mir will nicht einleuchten,
wie sie die Decke vom Anhänger ziehen konnten, ohne zu bemerken, dass das Zelt
weg ist. Und ein Schlafsack. Ich bin sprachlos. Das Fehlen des Zeltes sei erst
jetzt aufgefallen, als sie es aufbauen wollten. Ich kann mir lebhaft die
verdutzten Gesichter von Hans und Leo vorstellen, wie sie vor dem Anhänger
stehen und das Zelt nicht finden können. Die Ratlosigkeit, wie das passieren
konnte. Die Hilflosigkeit, wo sie nun übernachten sollten. Die Unfähigkeit,
eine Erklärung für das Unglück zu finden. Erst fährt man stundenlang, um zu
zelten. Und dann hat man unterwegs das Zelt verloren. Mit einem Schlag fällt
mir das Zelt, das ich ins Fundbüro bringen wollte, ein. Die Erleuchtung, dass
es sich um unser Zelt und unseren Schlafsack handelt, drängt sich mir
unausweichlich auf. „Darf ich mich einmischen?“ frage ich unschuldig. „Nur wenn
du aufhörst zu lachen und einen guten Vorschlag machen kannst“, antwortet mein
Mann. „Ansonsten müssten wir dich bitten, uns abzuholen, denn wir haben für die
Nacht kein Dach über dem Kopf – so zu sagen.“ „Macht euch keine Gedanken, ich
bin gleich bei euch – und das Zelt sowie den Schlafsack bringe ich mit“, erwidere
ich. Ich steige ins Auto um Hans und Leo zu retten. Innerlich triumphiere ich,
dass wir Frauen ohne Hilfe ausgekommen sind. Das würde ich selbstverständlich
weder meinen Mann noch meinen Sohn jemals spüren lassen!

Lehrer bitte wegschauen
    Kurz vor den Sommerferien müssen die letzten Noten
eingefahren werden. Die Schüler geben Mappen und Referate ab, Hausarbeiten
werden eingesammelt. Im Unterricht hofft jeder, noch positiv auffallen zu
können. Absolut unpassend sind da vergessene oder nicht rechtzeitig
abgelieferte Arbeiten.
    Am Sonntagabend gesteht Julia: „Mama, ich habe total
verschwitzt, dass wir am Dienstag unser Bild für Kunst abgeben müssen. Und
dabei habe ich noch gar nicht angefangen mit Malen. Ich weiß nicht, wie ich das
noch hinbekommen soll. Kannst du mir bitte dringend helfen?“ Die Panik steht
ihr im Gesicht geschrieben ebenso wie die Unlust, sich mit dem entsprechenden
Bild zu befassen. Zwischen Julia und der Kunstlehrerin stimmt die Chemie nicht.
Niemals würde es meine Tochter wagen, am vorgegebenen Tag ohne das geforderte
Bild zu erscheinen. Ist das für mich Grund genug, meiner Tochter das Bild zu
malen? Warum hat sie sich nicht früher darum gekümmert? Und überhaupt: Bilder
werden üblicherweise in der Schule angefertigt. Warum hat sie ihr Bild nicht im
Unterricht gemalt? Hat sie etwa geschwänzt? Ist mir Julias Kunstnote wichtig
genug, dass ich mich an Wasserfarben versuche? Einerseits mag ich Kunst,
andererseits halte ich mich für wenig talentiert, mit Pinseln oder Ähnlichem
eine Art von Kunst herzustellen. Julia umschmeichelt mich mit flehendem Blick:
„Bitte, Mama, lass mich nicht
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