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Socken mit Honig

Socken mit Honig

Titel: Socken mit Honig
Autoren: Gabriele Kowitz
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„richtige“ Taschentücher,
die man leider waschen und bügeln musste – oder Strümpfe und Socken. Blusen und
Hemden, Hosen und Röcke – sofern sie nicht in die Reinigung mussten – oder gar
Bettwäsche wurden in der Waschküche in der Waschmaschine gewaschen.
Wäschetrockner gab es nicht. Wenn man ganz viel Glück hatte, gab es eine Wäscheschleuder.
So viel Glück hatte meine Großmutter nicht, für sie hieß es Wringen und dann
Wäscheleine. Bei schönem Wetter draußen im Hof, ansonsten im Keller. Für die
Kleinteile aus der Zwischendurch-Wäsche hatte man entweder einen Wäscheständer,
den man im Schlafzimmer aufstellen konnte oder man hatte über der Badewanne
eine Wäscheleine angebracht.
    Das war so, man klagte nicht, man nahm das hin.
    Ob geschleudert oder gewrungen, auf dem Wäscheständer im
Schlafzimmer, im Badezimmer über der Wanne, im Keller oder im Hof auf der Leine
die Wäsche war sortiert. Nicht nur nach Koch- oder Buntwäsche, sondern auch
nach Unterhosen, Unterhemden, Tischdecken, Pullovern und so weiter. Socken
traten paarweise auf. Sie wurden paarweise aus dem Schrank genommen und an zwei
Füße gezogen. Wenn sie wieder ausgezogen wurden, kamen beide in den Wäschekorb
für Kleinwäsche. Wurde der Waschkessel aufgesetzt, wurden Socken als Paar
eingeweicht und gewaschen. Sie wurden als Paar gewrungen und zu zweit, eine
neben der passenden anderen, aufgehängt. Waren sie trocken, wurden die Socken
eine nach der anderen von der Leine genommen, glattgestrichen, übereinander
gelegt und eingerollt, um wieder im Schrank zu verschwinden, wo sie ihren
nächsten Einsatz abwarteten. Manchmal musste eine Socke gestopft werden, so
dass ein Umweg über das Nähkörbchen erforderlich wurde. Ein Umweg, den
selbstverständlich das komplette Paar machte.
    Heute haben wir es bequemer. Vermeintlich bequemer. Jeder
Haushalt besitzt eine eigene Waschmaschine mit Schleudergang. Wringen ist out,
das macht raue Hände. Über Badewannen, die zunehmend den Whirlpools weichen, gibt
es längst keine Wäscheleinen mehr. Außerdem sind Duschen gefragt. Das Einzige,
was im Bad zum Trocknen aufgehängt wird, sind Duschtücher an eigens dafür neben
der Dusche installierten Handtuch-Heizkörpern. Große Wäsche gibt es nicht mehr.
Was sich im Wäschekorb anfindet, wird nach Belieben in die Waschmaschine und
danach in den Trockner gesteckt. Keiner sortiert nach großen oder kleinen Wäschestücken.
Die Veränderungen und Fortschritte wären eine wirklich Erleichterung, die uns
das Leben bequemer machen, wenn sich die Socken nicht querstellten. Socken
werden nach wie vor paarweise verkauft, zwangsläufig, denn sie sind für zwei
Füße gedacht – nach wie vor. Da ich noch niemanden gesehen habe, der an nur
einem Fuß eine Socke trägt während der andere Fuß nackt ist, sei mir die
Unterstellung erlaubt, dass Socken weiterhin als Paar benötigt und getragen
werden. Davon, dass meine Tochter es schick findet, (sie würde „cool“ sagen)
zwei verschiedene Socken, zum Beispiel eine grüne und eine blaugestreifte Socke
gleichzeitig zu tragen, spreche ich nicht. Denn am nächsten Tag zieht sie die
blaugestreifte und die grüne Socke an und alles ist wieder ausgeglichen. Wie
bei den normalen Sockenträgern auch. Sollte man meinen. Aber da haben wir die
Rechnung ohne die Socken gemacht. Durch die fehlenden Zwischenkontrollen auf
dem Weg in die Waschmaschine und auf die Wäscheleine haben die kleinen Biester
reichlich Gelegenheit, sich als Single auf Abwege zu begeben. Manch einer Socke
gefällt es, sich in Sesselritzen zu verstecken. Andere kuscheln lieber unter
Bettdecken. Einige loten aus, wie viel Platz unter dem Kleiderschrank ist. Sie
schaffen es nicht, sich rechtzeitig im Wäschekorb zu ihrem Partner zu gesellen
und verpassen es, in die Waschmaschine zu kommen.
    Das ist so, man klagt nicht, das muss man hinnehmen.
    In der Waschmaschine selber lauert eine weitere Gefahr, denn
dort wohnt Flusi, das Sockenmonster. Flusi ist gefräßig und frisst vorzugsweise
– Socken! Sobald die Waschmaschine zu schleudern beginnt, erwacht Flusi aus
seinem Schlaf. Je schneller sich die Trommel dreht, umso größer wird sein
Appetit. Es sucht sich – mindestens – eine geschmackvolle Socke und verschlingt
sie gierig. Das glauben Sie nicht? Ich auch nicht, aber es fällt mir keine
andere Erklärung dafür ein, dass Socken immer wieder verschwinden. Auf nimmer
Wiedersehen. Meiner Tochter macht das nichts. Sie bekommt nach der Wäsche
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