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Social Netlove

Social Netlove

Titel: Social Netlove
Autoren: J Strack
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Visier der Männer geraten war, hatte zwar vermutlich zu einem enormen Teil an meiner überaus attraktiven Freundin gelegen, doch das hatte mich nie gestört. Obwohl ich selbst nicht gerade klein war, überragte mich meine Freundin mit ihren einsachtundachtzig und schwebte wie ein blonder Engel über den Köpfen der Normalofrauen. So stach sie den Männern immer zuerst ins Auge, egal ob sie es darauf anlegte oder nicht. Und ich war in die Rolle der unscheinbaren Freundin mit den rotbraunen Haaren und der nicht nennenswerten Oberweite gerutscht, deren Namen die Männer schnell wieder vergaßen. Doch das war okay – ich war ohnehin nicht für den Mittelpunkt geschaffen.
    »Klar weiß ich das noch. Das war wirklich eine tolle Zeit«, antwortete ich und nahm Isa meinen glitzernden Schuh ab, um wieder hineinzuschlüpfen.
    »Überhaupt haben wir früher so viele tolle Sachen gemacht. Wenn ich nur an all den ganzen Mist denke … die vielen Reisen, die wir gemacht haben.«
    Mit
Reisen
meinte Isa vermutlich nicht die paar Städtetrips, die wir nach dem Abi unternommen hatten, um unsere Geburtstage jedes Jahr in einer anderen Stadt zu feiern, sondern unsere etwas eigenwilligen Ausflüge quer durch Deutschland, England und die Niederlande, bei denen wir unserer damaligen Lieblingsband zu dutzenden Konzerten hinterhergereist waren. Dank den Kontakten ihres Vaters war es für meine Freundin ein Leichtes gewesen, Konzertkarten und manchmal sogar Backstagepässe zu bekommen – das einzige Problem hatten in diesem Zusammenhang meine Eltern dargestellt, denn die hielten überhaupt nichts von so einfältigen Konsummaschinen (damit meinten sie Boybands) und fehlgeleiteten Geistern, die sich auf das Minimum ihrer eigenen Würde herabkreischten (das sollten wohl Isa und ich sein). Sie waren natürlich nicht blöd gewesen und hatten mir die gemeinsamen
Lernwochenenden
mit Isa selten abgekauft. Ohne Isabelles Mutter, die wesentlich entspannter gewesenwar und mir Alibis verschafft hatte, hätte ich wohl die bisher aufregendste Zeit meines Lebens verpasst. Sie hatte uns sogar ab und an zu Konzerten begleitet, als wir mit dreizehn Jahren noch zu jung gewesen waren, um in der Weltgeschichte herumzudüsen.
    Mit den Jahren hatten sich die Prioritäten verschoben – es waren nicht mehr unbedingt die Konzerte, denen wir entgegengefiebert hatten, sondern vielmehr die After-Show-Partys diverser Preisverleihungen, auf die Isa uns ab dem Alter von sechszehn Jahren geschummelt hatte. Dort waren wir jedes Mal aufs Neue wie Duracell-Häschen auf Ecstasy herumgeturnt, von der Euphorie angestachelt, unseren Stars für ein paar Stunden ganz nah sein zu können.
    »Tja, und jetzt sind wir erwachsen … Der Ernst des Lebens hat uns eingeholt«, sagte Isa und lächelte halbherzig. »Und was machst du zurzeit sonst noch so, außer zu nähen? Gibt es vielleicht einen Kerl in deinem Leben, von dem ich noch nichts weiß?«
    »Nein, ganz sicher nicht«, antwortete ich abwehrend. »Kein Mann, keine aufregenden Vorkommnisse und meine Arbeit ist auch immer noch todlangweilig. Das wird sich vermutlich auch niemals ändern, so lange ich in dieser als Büro getarnten Psychiatrie arbeite.«
    »Du solltest dir endlich was anderes suchen, Marie. Diese Firma ist doch kein Dauerzustand. Nichts, das dich im Leben weiterbringt«, sagte Isabelle mit Nachdruck.
    Ich war ehrlich überrascht, dass sie überhaupt noch wusste, was das Wort ‚Firma‘ bedeutete. Ihr aktuelles Lebenskonzept war schließlich so ausgerichtet, dass sie so eine lästige Einrichtung in den nächsten zehn Jahren auf keinen Fall von innen sehen musste.
    »Du solltest endlich das tun, was dich glücklich macht und dich nicht länger mit Hiwi-Aufgaben dort herumplagen. Das Leben ist zu kurz, um seine Träume hinten an zu stellen.«
    »Du hast ja recht«, antwortete ich traurig und strich mir eine kastanienfarbene Ponysträhne aus der Stirn. Was hatten Isa und ich uns nicht alles ausgemalt? Nach meinem Mode-Design-Studium hatten wir zusammen eine Boutique aufmachen wollen –
Sternenglanz
. Darin sollte ich den handwerklichen Teil übernehmen und Isa, die ein abgeschlossenes BWL-Studium in der Tasche hatte, wollte sich um alles andere kümmern: Buchhaltung, Einkauf, Marketing. Ehrlich gesagt hatte ich schon lange nicht mehr an unseren, in einer Weinlaune zusammengesponnenen, eigenen Laden gedacht – zu viel, oder besser gesagt
zu wenig
, war in der letzten Zeit zwischen uns passiert.
    »Es ist nur so …
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