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Social Netlove

Social Netlove

Titel: Social Netlove
Autoren: J Strack
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»Muss das denn ausgerechnet jetzt sein? Ich fasse es nicht!«
    Ich auch nicht
. Der Tag fing mal wieder außerordentlich stimmungsvoll an – was meine These über jeden Montagmorgen nur bestätigte. Damit verhielt es sich nämlich grundsätzlich wie mit der GEZ: Du denkst, du wärst ihn losgeworden, doch er kriegt dich immer wieder zu fassen und vermiest dir die Stimmung.
    Wer zur Hölle hatte Montage überhaupt erfunden?
    Meine Kollegin jedenfalls nicht.
    »Meine Güte, kann man hier nicht mal in Ruhe frühstücken?«, schimpfte Katja erneut und warf ihrem schrillenden Telefon einen missbilligenden Blick zu. Anstatt abzuheben, biss sie hastig in ihr mitgebrachtes Gurkenbrot und blätterte in der Hamburger Morgenpost.
    »Wer ist es denn?«, fragte ich genervt.
    »München«, grummelte sie verstimmt und starrte den Telefonhörer so feindselig an, dass er augenblicklich in tausend Stücke hätte zerspringen müssen, so viel Zerstörungskraft lag in ihren Augen.
    München. Dort saßen die Mitarbeiter der Zentrale von Eulenbach & Partner, die unserer kleinen Zweigstelle gern die Hölle heiß machten, wenn es irgendwo Schuld abzuladen gab. Und das passierte nicht gerade selten. Es war also keine Alternative, sich einfach totzustellen und gemütlich sein Brot aufzuessen.
    Missmutig holte ich den Anrufer zu mir herüber. »Clipping-Service Eulenbach & Partner, Marie Lau am Apparat!«
    Wider Erwarten begrüßte mich nicht die näselnde Stimme eines unserer Münchener Kollegen.
Leider
.
    »Kind, wie geht es dir? Hier spricht deine Mutter!«
    Ach
. Als ob ich ihre autoritäre Stimme nicht sogar mit nur drei Prozent Hörfähigkeit erkannt hätte.
    »Mir geht es gut, danke«, log ich und blickte sehnsuchtsvoll an Katja vorbei auf das Südsee-Poster, das bereits seit meinem ersten Tag vor neun Jahren hier hing.
Genau da wäre ich jetzt gerne …
    »Und was macht die Arbeit?«, kam es skeptisch zurück. Es war einoffenes Geheimnis, dass meine Eltern Angst hatten, ich könnte
    1. kündigen und als stinkende, rauchende Sozialschmarotzerin in einer B-Schein-Wohnung enden
    oder
    2. für immer in dieser Klitsche versauern, was ihrem Verständnis nach sogar noch schlimmer war.
    Dabei waren sie mehr oder weniger Schuld an meinem eintönigen und wenig repräsentablen Job – denn als ich mich nach meinem Abitur hier beworben hatte, war dies mehr auf Drängen meiner Eltern als aus eigenem Willen geschehen. Ich hatte seit jeher Mode-Design studieren wollen, doch das war meinem Vater, damaligem Lehrer und heutigem Studienrat in München, zu ‚hippiemäßig‘ erschienen. Deshalb hatten er und meine Mutter mich geradezu überredet, zunächst eine kaufmännische Ausbildung zu absolvieren, die mir später ‚als Mode-Designerin helfen würde‘. In Wirklichkeit hatten sie gehofft, dass ich diese ‚absurde Mode-Design-Idee‘ vergessen und etwas
Vernünftiges
studieren würde, mit dem sie vor ihren elitären Freunden prahlen konnten.
Tja
. Sowohl ihr als auch mein Plan war nach hinten losgegangen – denn ich war hier steckengeblieben.
    »Es läuft gut«, antwortete ich träge. »Rufst du deshalb an?«
    Ich schielte auf meinen Kalender und malte in Gedanken ein Kreuz über den heutigen Tag. Der vierteljährliche Kontrollanruf, der zeigen sollte, ob die auf Strebsamkeit und Erfolgsgier getrimmte Erziehung nicht doch endlich Früchte trug, war für dieses Quartal abgehakt.
    »Nun ja, ich wollte eben wissen, ob bei dir alles in Ordnung ist. Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen, weil wir dich in Hamburg alleine gelassen haben.«
    »Mama, ich bin achtundzwanzig, nicht acht!«
    »Trotzdem«, beharrte sie, obwohl sie vermutlich lieber gesagt hätte:
Du benimmst dich aber nicht wie eine erwachsene Frau
. »Weißt du, Marie, vielleicht solltest du nach München kommen. Hier gibt es hervorragende Universitäten. Du möchtest doch noch studieren, oder?«
    »Das Thema Uni hatten wir doch schon«, antwortete ich angesäuert und versuchte von unserem Lieblingsstreitthema abzulenken. »Wie geht es Vater denn?«
    »Gut. Er blüht hier sichtlich auf.« Das konnte ich mir vorstellen. Die Beförderung zum Oberstudienrat vor zwei Jahren, vier Jahre, nachdem meine Eltern sich aufgrund guter Jobangebote München zugewandt hatten, bereitete meinem alten Herrn sicher viel Genugtuung. Immerhin war er so noch ein viel glanzvolleres Vorbild für mich, seine weniger engagierte Tochter, als deren Erzeuger demnach wohlnur der Postbote in Frage kam. »Aber ich
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