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Social Netlove

Social Netlove

Titel: Social Netlove
Autoren: J Strack
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möchte dich nicht länger vom Arbeiten abhalten, Marie. Wir plaudern ein andermal«, unterbrach die kühle Stimme meiner Mutter meine Gedanken.
    Zum Beispiel in drei Monaten?
, wollte ich trotzig fragen, ließ es dann jedoch lieber. Das Verhältnis zu meinen Eltern war seit meiner Pubertät ohnehin schlecht genug. So lange ich sie nicht stolz machen konnte, würden wir uns auch weiterhin nicht mehr zu sagen haben, als diese wenigen Worte – mit denen ich in Erfahrung brachte, ob meine Eltern überhaupt noch am Leben waren, und sie die Wahrscheinlichkeit abschätzten, dass ich mich doch noch in die von ihnen geplante akademische Richtung entwickelte.
    »Grüße an Vater«, sagte ich so freundlich wie möglich und ignorierte beim Auflegen das obligatorische »Denk über das Studium nach«.
    »Na, Ärger mit der lieben Verwandtschaft?«, fragte Katja, die wie immer erst dann aufblühte, wenn um sie herum schlechte Stimmung herrschte.
    Ich sah zu ihr hinüber –
großer Fehler!
– und traf auf einen sturen Blick aus Katjas von Faltennetzen umrandeten Augen, der sich brutal in meine Stirn bohrte. In ihrer Jugend musste sie mindestens einmal zu oft unter der Sonnenbank gelegen haben, denn ihre erst neununddreißigjährige Gesichtshaut warf nahezu ebenso tiefe Falten wie die eines Mopses.
    Passend zur hundeähnlichen Optik trug Katja ihre schwarzen, glanzlosen Haare kinnlang in einer ähnlichen Bobfrisur wie ich, nur dass sie damit stets aussah wie ein durch den Regen getrotteter Hund, dessen Fell sich im trockenen Zustand unschön aufplusterte. Sie war in jedem Fall eine Spezies für sich – eine großflächig ausgestorbene wohlgemerkt, und das aus gutem Grund! Noch mehr von ihrer Sorte hätten sich längst zu einer unberechenbaren Terrorformierung zusammengerottet.
    Genau das war meine Kollegin: Unberechenbar. Bei ihr konnte man sich nie auf bestimmte Launen oder Abneigungen einstellen, denn sie hatte so eine grundsätzliche, asoziale Haltung, die oftmals unangekündigt von Wutausbrüchen oder Schimpftiraden garniert wurde. Katja war nicht nur
schwierig
, sie war unerträglich. Und ausgerechnet ich hatte das große Los gezogen, mit ihr ein Büro zu teilen – und zwar seit dem Tag meiner Abschlussprüfung vor siebeneinhalb Jahren, an dem ich als ein vollwertiges Mitglied der Firma eingestellt worden war.
    »Du redest also nicht mit mir?«, fragte Katja vorwurfsvoll. »Wenn du so auch mit deinen Eltern umgehst, dann Prost Mahlzeit.«
    »Tut mir Leid, Katja. Aber ich möchte jetzt wirklich nicht darüber sprechen«.
Jedenfalls nicht mir dir
.
    »Ich kann nicht verstehen, weshalb du nicht auf deine Eltern hörst und studieren gehst. Diese ungenutzten Chancen …«
    Jaja
. Ich tat so, als hätte mich eine temporäre Gehörlosigkeit ereilt und beugte mich näher vor den Computerbildschirm, um mich wieder meiner Arbeit zu widmen. Die war zwar kaum an Anspruchslosigkeit zu überbieten, doch in den Augen unseres Chefs war sie Gold wert. Unsere Firma machte ihr Geld nämlich mit der Reputationsgier anderer Menschen und nannte sich neudeutsch ‚Clipping-Service‘. Das klang immens wichtig, meinte im Grunde aber nur, dass wir Ausschnitte aus Print- und Onlinemedien sammelten, in denen unsere Kunden erwähnt worden waren.
    Mein Chef beschäftigte zu diesem Zweck einen ganzen Haufen lesefreudiger Senioren, die sich ‚Lektoren‘ nennen durften, weil es so schön bedeutend klang. Tatsächlich hatten sie nichts Simpleres zu tun, als Tageszeitungen und sämtliche auf dem Markt erhältlichen Zeitschriften nach bestimmten Schlagwörtern abzusuchen und die entsprechenden Artikel auszuschneiden. Unsere zwanzig betagten Aushilfen, die ausnahmslos auf vierhundert Euro Basis beschäftigt wurden, brachten ihre Arbeitsergebnisse regelmäßig vorbei; und dann war es die Aufgabe von uns festangestellten Mitarbeitern, die Zeitungsschnipsel einzuscannen und für den Kunden ansprechend aufzubereiten. Da ich neben unserem Chef die Einzige war, die über eine kaufmännische Ausbildung und annehmbare Medienkompetenz verfügte, befasste ich mich überwiegend mit dem Erstellen von Schaubildern und Kalkulationen, sowie den sogenannten Online-Clippings – also den Internet-Treffern zu unseren vorgegeben Schlagworten.
    »Hörst du mir überhaupt zu, Marie?« Katja rollte mit ihrem Drehstuhl ein paar Zentimeter vom Tisch weg und sah mich aus ihren dunklen Augen bitterernst an – dann folgte ein aufgebrachtes Schnauben.
Bitte nicht
. Ich hasste es,
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