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So kam der Mensch auf den Hund

Titel: So kam der Mensch auf den Hund
Autoren: Konrad Lorenz
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Dementsprechend ist hier jede Strafe unangebracht und wirkungslos. Nur die
     Gewohnheit veranlaßt schließlich den wohldressierten Hund, auch dann einen Hasen zu bringen, eine Spur zu verfolgen oder ein
     Hindernis zu überspringen, wenn er dazu eigentlich nicht aufgelegt ist. Besonders im Anfang einer derartigen Dressur, wenn
     also noch keine Gewohnheit, das Befohlene auszuführen, vorhanden ist, beschränke man die Versuche auf wenige Minuten und breche
     sie ab, sobald das Tier in seinem Eifer nachläßt. Es muß unbedingt im Tiere die Einstellung erhalten bleiben, daß es die betreffende
     Übung nicht ausführen muß, sondern darf.
    Nach diesen wenigen allgemeinen Grundregeln kehren wir zu den drei speziellen Dressuren zurück, die jedem Hundebesitzer geraten
     seien. Für die wichtigste halte ich das sogenannte »Ablegen«: Der Hund muß lernen, sich auf Befehl niederzulegen und erst
     nach dessen Widerrufung aufzustehen. Diese Dressur hat mancherlei Vorteile, sowohl für das Tier als auch für dessen Besitzer:
     Man kann den Hund an jeder beliebigen Stelle zurücklassen und inzwischen Geschäften und Besorgungen nachgehen; anderseits
     führt der »gut ablegbare« Hund ein glücklicheres Leben, da sein Herr nie genötigt ist, ihn zu Hause einzusperren; und schließlich
     verbessert |30| die genannte Dressur den Appell, ist es doch keinem Hund willkommen, seinen Drang, dem Herrn zu folgen, unterdrücken zu müssen.
     Erhält das Tier nun den Befehl aufzustehen und zu kommen, so empfindet es ihn begreiflicherweise als Erlösung. Gerade durch
     das Ablegen erhält das Kommen eine andere Gefühlstönung: Der Hund
muß
nicht kommen, sondern er
darf.
    Hunden, die keinen natürlichen Appell haben, kann man das verläßliche Gehorchen, auf Befehl zum Herrn zu kommen, nur über
     das Abliegen beibringen. Egon von Boyneburg, einer der besten Dresseure, die ich kenne, zog es deshalb vor, die Dressur auf
     Abliegen mehr zu betonen als die auf Appell. So brachte er den Hunden bei, sich auf Befehl in jeder Lebenslage, auch in vollem
     Laufe, niederzulegen und liegenzubleiben. Schickte sich einer seiner Hunde an, etwa ein Wild zu hetzen, rief ihn Baron Boyneburg
     nicht unmittelbar zurück, sondern sagte nur »down«. Dann sah man eine durch heftiges Bremsen aufgewirbelte Staubwolke und
     hernach, wenn sie sich verzogen hatte, den Hund, der brav »down« machte.
    Die Dressur auf Abliegen ist so einfach, daß sie jeder, auch wer in solchen Dingen weniger begabt ist, fertigbringen muß.
     Man beginnt allgemein, wenn der Hund wenigstens sieben bis elf Monate alt ist, bei frühreifen Rassen entsprechend früher,
     bei spätreifen später. Ein zu früher Beginn ist deshalb grausam, weil es von dem quecksilbrigen und verspielten Kinde viel
     verlangt ist, auf Befehl still zu liegen. Man fängt damit an, daß man den jungen Hund auf eine trockene Wiese führt, also
     auf einen Platz, wo er sich auch sonst nicht ungern niederlegen würde; dann faßt man ihn an Nacken und Kreuz und drückt ihn
     sanft zu Boden, wobei man das entsprechende Kommando äußert. Es tut nichts, wenn fürs erste etwas Gewalt angewendet wird.
     Manche Hunde verstehen die Aufforderung früher, manche später, wieder andere stehen bocksteif da und begreifen die Sache erst,
     wenn man ihnen die Hinterbeine und hernach die Vorderbeine einbiegt. In der Regel jedoch wird man staunen, nach wie wenigen
     Wiederholungen |31| ein kluger Hund erfaßt hat, worum es geht, und sich auf Kommando willig hinlegt. Doch schon von dem ersten Versuche an muß
     es dem Hunde verwehrt sein, ohne ausdrücklich Befehl erhalten zu haben, aufzustehen. Es ist falsch, dem Hunde das Niederlegen
     und das Nicht-Aufstehen in zwei getrennten Arbeitsgängen beibringen zu wollen!
    Anfangs bleibt man dicht vor dem Hunde stehen, spricht auf ihn ein und fuchtelt mit dem Finger dicht vor seiner Nase herum,
     so daß er gar keine Gelegenheit hat, ans Aufstehen zu denken. Dann ruft man plötzlich »komm!«, läuft ein paar Schritte vom
     Hunde weg, liebkost ihn oder beginnt mit ihm zu spielen, kurz, man entschädigt ihn für das eben ausgestandene Ungemach.
    Scheint der junge Hund überfordert zu werden und zeigt er eine gewisse Neigung, sich dem Herrn zu entziehen, um Wiederholungen
     der Übung zu vermeiden, so bricht man die Versuche gleich ab und verschiebt ihre Fortsetzung auf den nächsten Tag. Nur allmählich
     darf man die Zeiten des Stilleliegens, die vom Hund verlangt werden, steigern.
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