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So kam der Mensch auf den Hund

Titel: So kam der Mensch auf den Hund
Autoren: Konrad Lorenz
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Tat ist es sinnlos, einen Hund zu schlagen, da er nicht mehr weiß, warum es geschieht. Nur bei wiederholten
     Rückfällen, das heißt, wenn der Hund genau weiß, warum er bestraft wird, hat auch eine spätere Strafe einen Sinn. Es gibt
     natürlich Ausnahmen. Wenn einer meiner Hunde ein neues Tier meiner Sammlung deshalb tötete, weil er es noch nicht kannte,
     machte ich ihm das Verbotene seines Tuns zuweilen dadurch begreiflich, daß ich ihn
mit
der Leiche des Ermordeten verprügelte. Dabei kam es nicht so sehr darauf an, dem Hund die Sündhaftigkeit eines bestimmten
Tuns
vorzuhalten, als vielmehr ihm ein bestimmtes
Objekt
zu verekeln.
    Völlig verkehrt ist es, einem Hund durch Strafe Appell beibringen zu wollen, desgleichen, ihn nachträglich zu schlagen, wenn
     er uns auf einem Spaziergang, von einem Wilde verlockt, davonlief: Man gewöhnt ihm nämlich dadurch niemals das Davonlaufen
     ab, sondern das Zurückkommen, das zeitlich näher an der Strafe liegt und daher unfehlbar mit ihr assoziiert wird. Das einzige
     Mittel, den Hund gründlich zu kurieren, besteht darin, daß man mit Wurfkette, Schleuder oder gar mit Vogeldunst ihm nachschießt,
     sobald er sich anschickt, davonzulaufen. Der Schuß soll für den Hund völlig unerwartet kommen. Dabei ist es am besten, wenn
     der Hund gar nicht merkt, daß der Blitz aus heiterem Himmel von der Hand seines Herrn geschleudert wurde. Gerade das Unerklärbare
     des plötzlichen Schmerzes macht diesen für den |28| Hund so eindrucksvoll. Ein weiterer Vorteil dieser Fernzüchtigung liegt darin, daß der Hund durch sie nicht »handscheu« gemacht
     wird.
    Zur Bemessung des Strafausmaßes bedarf es großer Feinfühligkeit und Hundekenntnis. Die Empfänglichkeit für Strafe ist nämlich
     bei verschiedenen Individuen sehr ungleich: Einige leichte Klapse können für einen seelisch zarten Hund eine härtere Strafe
     sein als die gröbsten Prügel für seinen robusteren Bruder. Rein körperlich gesehen, ist ein Hund ja außerordentlich unempfindlich,
     und wenn man ihn nicht gerade auf die Nase schlägt, ist es kaum möglich, ihm mit bloßer Hand Schmerzen zuzufügen. Treffen
     jedoch seelische Empfindlichkeit und körperliche Wehleidigkeit zusammen, wie dies bei manchen Rassen, z.   B.   Spaniel, Setter und ähnlichen, der Fall ist, muß man mit körperlichen Züchtigungen ungemein vorsichtig sein, will man das
     Tier nicht völlig verschüchtern und ihm jede Lebensfreude und Selbstsicherheit nehmen. Bei meinen Chow-Schäferhundkreuzungen
     fanden sich, vor allem in früherer Zeit, als die Zucht noch mehr Schäferblut enthielt, extrem züchtigungsempfindliche, »weiche«,
     und extrem unempfindliche Tiere in regellosem Durcheinander. Stasi war hart, Pygi II. besonders weich. Hatten die beiden nun
     etwas angestellt, so erboste meine Ungerechtigkeit oft das Publikum, weil ich die Mutter prügelte, die Tochter aber nur leicht
     klapste und anschrie. Und doch hatten beide Tiere eine gleich wirksame Züchtigung erhalten.
    Jede Hundezüchtigung wirkt weniger durch die Schmerzen, die sie hervorruft, als durch die Machtentfaltung des Gebieters, die
     sie offenbart. Aber das Tier muß diese Machtentfaltung auch verstehen. Da Hunde, wie übrigens auch Affen, bei ihren Rangordnungskämpfen
     einander nicht schlagen, sondern beißen, ist der Schlag eigentlich keine angemessene und verständliche Strafe. Einer meiner
     Freunde hat gefunden, daß ein kleiner Biß in Arm oder Schulter, der nicht einmal verwundet, einen Affen viel nachhaltiger
     beeindruckt als die ärgsten Prügel. Es ist natürlich nicht jedermanns Sache, |29| Affen zu beißen. Beim Hund dagegen kann man die Strafmethode eines vorgesetzten Rudelleiters nachahmen, indem man das Tier
     am Nacken faßt, hochhebt und schüttelt. Dies ist die intensivste und strengste Bestrafung eines Hundes, die ich kenne; sie
     verfehlt auch nie, einen tiefen Eindruck zu machen. In der Tat wäre ein Leitwolf, der einen ausgewachsenen Schäferhund hochheben
     und schütteln kann, ein wahrer Überwolf; als solchen empfindet auch der Hund seinen strafenden Herrn. Obwohl diese Form der
     Strafe uns Menschen weniger roh dünkt als Prügel mit Stock und Peitsche, sei jedoch ausdrücklich betont, daß man damit sehr
     sparsam und vorsichtig sein muß.
    Bei allen Dressuren, die eine aktive Mitarbeit des Hundes verlangen, vergesse man nie, daß auch der bravste Hund kein »Pflichtgefühl«
     hat und nur mittut, solange es ihm Freude macht.
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