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Snapshot

Snapshot

Titel: Snapshot
Autoren: C Robertson
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war, wirkte er so dünn. Er wollte gerade eine scharfsinnige Bemerkung abgeben, als sein Detective Sergeant neben ihm auftauchte, Colin Monteith. Monteith hatte fahlblondes Haar und wirkte immer ein wenig gehetzt. Im Schlepptau hatte er ein Skelett in voller Proletenuniform: Jogginghose, aufgeplusterte weiße Jacke, die unvermeidliche Baseballkappe. Der Junkie von der Ecke. Anscheinend hatte Monteith die uniformierten Kollegen beauftragt, sich unters Volk zu mischen, sprich unter die wandelnden Toten, die sich um diese Tageszeit in der Umgebung des Markts herumtrieben. Aber die Chancen standen nicht besonders gut. Selbst wenn einer von ihnen etwas mitbekommen hatte, hatte er es wahrscheinlich schon wieder vergessen.
    Addison verdrehte die Augen, als wollte er sagen, ich hoffe sehr, dass das keine Zeitverschwendung ist .
    Nachdem Monteith das Skelett in ein paar Metern Entfernung abgestellt hatte, gesellte er sich zu Winter und seinem Boss.
    » Ich glaube, der hier hat tatsächlich noch ein paar Tassen im Schrank. Hatte sich drüben aufs Ohr gehauen, und immerhin weiß er, was für ein Tag heute ist. Deshalb dachte ich mir, den sollte man sich mal genauer anschauen. Er behauptet, er hätte was gehört. Ziemlich verdächtige Geräusche.«
    » Er weiß, was für ein Tag heute ist?«, meldete sich Winter zu Wort. » Und deshalb ist er jetzt Junkie des Monats, oder was?«
    Monteith bedachte ihn mit einem strafenden Blick.
    » Okay, bring ihn her«, seufzte Addison. » Viel zurechnungsfähiger wird’s hier wahrscheinlich nicht mehr. Na los.«
    Der hochgewachsene Inspector überragte den Junkie um mehr als einen Kopf. Der wusste sofort, wer hier das Sagen hatte. Er beäugte Addison von unten und trat von einem Fuß auf den anderen.
    » Du hast also was gehört«, sagte Addison und ließ dabei offen, ob es sich um eine Frage oder um eine Feststellung handelte. » Erzähl doch mal.«
    » Hab ich doch schon den andern Cops erzählt. Hab geschlafen. War mitten in der Nacht und duster. Stockduster, nich wahr.«
    Addison sah aus, als hätte er ihn am liebsten aufgefordert, verdammt noch mal zur Sache zu kommen. Doch er begnügte sich mit einem Nicken.
    » Also es war duster, und dann waren da Stimmen. Haben sich gestritten. Aber nich besonders laut. Haben sich ’ne ganze Weile gestritten, und dann war da so ’ne Art Schrei und dann nix mehr. Hab gehört, wie der Typ hingeknallt ist.«
    » Und was hast du danach gehört?«
    » Nix.«
    » Nichts? Keine Schritte, niemanden, der gegangen oder weggerannt ist? Keine Hilferufe? Vielleicht ein Auto? Oder ein Motorrad? Oder irgendwas, was weggeschmissen wurde und auf den Boden gefallen ist?«
    » Nee. Oder… Aye, da is einer weggegangen. Aber nich gerannt, mehr so langsam, wie wenn er was wegschleift. Aber nach Hilfe geschrien hat da keiner. War wahrscheinlich schon tot.«
    » Und was hast du gemacht? Deine Bürgerpflicht erfüllt und die Polizei gerufen?«
    » Nee. Sorry, Mann, aber echt nicht. Ich hab schön stillgehalten. Konnte ja nich wissen, ob der Typ zurückkommt, und warum soll ich mich auch noch abmurksen lassen? Kann sein, dass ich noch mal weggepennt bin. Weiß nich. Als ich aufgewacht bin, war hier alles voller Polizei.«
    » Hast du den Typen gesehen? Weißt du, wie groß er war? Welche Haarfarbe? Irgendwas?«
    » Es war duster, Mann, stockduster. Hab ich doch schon gesagt. Außerdem hab ich mich lieber geduckt. Hab nur zugehört.«
    » Aber du meinst, er hat irgendwas weggeschafft? Geht’s auch ein bisschen genauer? Hat er was über den Boden gezogen? Oder was getragen?«
    » Kann sein. Weiß nich. Getragen, geschleift, was weiß ich.«
    Addison schüttelte den Kopf, der Verzweiflung nahe, und forderte Monteith mit einem genervten Nicken auf, das Skelett wegzubringen und seine Aussagen zu Protokoll zu nehmen. » Du sagst ihm alles, was du weißt«, gab er dem Junkie mit auf den Weg. » Und mit dem nächsten Auslandsurlaub wartest du noch ein bisschen, okay?«
    » Ha, ha. Wie sieht’s aus, Chef, gibt’s dafür ein bisschen Kohle? Hätt ja nix sagen müssen.«
    » Aber selbstverständlich! Meld dich einfach beim Kollegen an der Kasse. Aber Kopf runter, falls die fliegenden Schweine wieder auftauchen.«
    Der Junkie schien etwas entgegnen zu wollen, wer hier seiner Meinung nach die Schweine waren, überlegte es sich aber doch noch anders. Schweigend zog er ab, mit Monteiths fleischiger Pranke auf der Schulter.
    » Was für ein beschissener Sonntag«, stöhnte Addison. »
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