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Snapshot

Snapshot

Titel: Snapshot
Autoren: C Robertson
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Tuch über die Tote breiteten, und den verängstigten Blick des Zeugen, der die Augen nicht von der jungen Frau lassen konnte.
    In der Rückschau wunderte er sich fast schon, dass er die Nerven gehabt hatte, neben der digitalen Nikon, die ihm das Department gestellt hatte, auch seine eigene Canon-Spiegelreflex einzustecken. Aber er war froh darüber. Das körnige Schwarz-Weiß vermittelte ein Gefühl, das ihm irgendwie gefiel. Und was noch wichtiger war: Auf der offiziellen Speicherkarte waren diese Bilder nicht zu finden.
    Exponat Nummer1:Avril Duncanson. Egal wie viele noch dazukommen würden, ihren Namen würde er nie vergessen. Außerdem waren ihre Fotografien Teil seiner Sammlung; damit hatte er eine handfeste Erinnerung, die es eigentlich gar nicht gebraucht hätte. Manches begleitet einen für den Rest des Lebens. Kaum schließt man die Augen, taucht es wieder auf, verborgen hinter den Lidern.
    Plötzlich war Winter zurück in der feuchtkalten Gegenwart, im Grau von Blochairn. Schuld daran war Two Soups, der sich hinter ihm echauffierte, er solle sich mit seinem Geknipse beeilen, damit seine Leute endlich an die Leiche könnten. Two Soups war ein elender alter Griesgram. Hätte Winter sich einen Mitarbeiter der Spurensicherung am Tatort aussuchen können, wäre die hübsche Cat Fitzpatrick seine erste und Two Soups seine letzte Wahl gewesen. Definitiv. Campbell » Two Soups« Baxter ging einfach jedem auf die Nerven. Er war von der alten Schule und witterte überall amateurhafte Forensik. Vor allem Cops, die sich die unvermeidlichen Fernsehserien zu dem Thema reingezogen hatten und jetzt meinten, sie könnten mitreden, hatte er gefressen.
    Aber Baxter musste sich noch etwas gedulden, denn am Tatort hatte nun mal der Fotograf den Vortritt. Der Fotograf musste alles dokumentieren, wie es war, ehe die Leichenfledderer Hand anlegen durften. Deshalb konnte Two Soups sich seine Zeit nicht einteilen, wie er wollte, und damit war er ganz und gar nicht einverstanden. Eine Frechheit, dass er und seine Kollegen, ein Team hoch qualifizierter Wissenschaftler, auf einen Affen mit Kamera warten mussten! Wahrscheinlich konnte er sich nicht entscheiden, ob er stinkig sein sollte, weil Winter nicht ein bisschen früher da gewesen war oder weil er überhaupt da war. Aber er sagte nichts mehr, sondern starrte nur noch düster vor sich hin. Sollte er starren. Eine zweite Chance, diesen Tatort zu verewigen, würde Winter nicht bekommen, und er würde sich ganz sicher nicht hetzen lassen. Auch wenn es bloß eine stinknormale Messerstecherei war.
    Er stellte die erste Ganzkörperaufnahme scharf. Two Soups verschwand aus seinem Gesichtsfeld, alles andere auch. Die Welt reduzierte sich auf ihn und Sammy Ross.
    Zum ersten Mal sah er Sammys Gesicht. Resignation. Völlige Kapitulation. Keinerlei Überraschung. Sammy hatte gewusst, was auf ihn zukam. Mit dem typischen leeren Blick stierte er in die Unendlichkeit. Und was er dort sah, schien ihm nicht besonders zu gefallen.
    Aber Winter gefiel es. Ja, es war grausam. Doch es war auch schön.
    Die Totenstarre hatte bereits eingesetzt, Sammy war also schon seit ein paar Stunden tot. Die Knie, die beim Fallen eingeknickt waren, hatten sich verkrampft. Der eine Arm klemmte schräg unter dem Körper, die Hand an der Schnittwunde in der Brust, der andere lag schief an der Seite; anscheinend hatte Sammy damit seinen Sturz abfangen wollen. Aber so ein Sturz ließ sich nicht abfangen. So ein Sturz führte auf direktem Weg in die Hölle.
    Burgunderrotes Blut hatte seine Jeans durchweicht und sein hellblaues T-Shirt durchnässt, doch beides trocknete schon. Blasse Haut, weiß wie Alabaster, auf den Lippen ein Hauch von Blau.
    Und ein tiefer Schnitt. Hinter der blutigen, zerfledderten Baumwolle war der lange Riss zu erkennen, den das Messer hinterlassen hatte. Eine deutlich erkennbare Eintrittswunde, dann ein steiler Anstieg bis zur Brust, eine Spur aus zerfetzter Haut. Der Mörder hatte die Klinge reingesteckt, herumgedreht und hochgerissen. Er hatte nach den lebenswichtigen Organen gewühlt. Das war kein Anfänger, der Typ hatte schon mal ein Messer benutzt. In Glasgow reduzierte sich der Kreis der Verdächtigen damit auf circa ein Viertel der männlichen Bevölkerung zwischen zwölf und fünfundzwanzig.
    Winter nahm die Wunde ins Visier. Eine gewaltige Wunde, so groß, dass er hätte hineinfassen und die perforierten Eingeweide herausziehen können, groß genug, um sich auf die Suche nach der Seele
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