Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eve & Adam (German Edition)

Eve & Adam (German Edition)

Titel: Eve & Adam (German Edition)
Autoren: Katherine Applegate , Michael Grant
Vom Netzwerk:
1
    EVE
    Ich denke an einen Apfel, als die Straßenbahn mich trifft, mir das Bein abreißt, meine Rippen splittern und mein Arm kein Arm mehr ist, sondern nur noch eine nasse, rote, nicht wiederzuerkennende Masse.
    An einen Apfel. Er lag auf einem Verkaufsstand des Lebensmittelmarkts hinter der Powell Street und war mir aufgefallen, weil er so seltsam fehl am Platz wirkte. Ein leuchtend roter McIntosh inmitten einer Armee stumpfgrüner Granny Smiths.
    Wenn man stirbt – und diese Erkenntnis kommt mir, während ich wie ein verwundeter Vogel durch die Luft fliege –, sollte man an Liebe denken. Und wenn schon nicht an Liebe, dann sollte man wenigstens seine Sünden zusammenzählen oder überlegen, warum man nicht an der Ampel über die Straße gegangen ist.
    Jedenfalls sollte man nicht an einen Apfel denken.
    Ich höre Bremsen kreischen und entsetzte Schreie, dann schlage ich auf dem Gehweg auf. Ich höre meine Knochen brechen. Es ist kein unangenehmes Geräusch, leiser, als ich gedacht hätte. Es erinnert mich an das Windspiel aus Bambus auf unserer Terrasse.
    Ein Wald von Beinen umzingelt mich. Zwischen den sehnigen Waden eines Fahrradkuriers kann ich gerade noch das nur für heute geltende Dreißig-Prozent-Rabatt-Schild im Schaufenster von Lady Foot Locker erkennen.
    Ich sollte jetzt an Liebe denken – nicht an Äpfel und erst recht nicht an neue Nikes –, aber dann höre ich ganz auf zu denken, weil ich nur noch mit Schreien beschäftigt bin.
    Ich öffne die Augen und Licht blendet mich. Ich weiß, dass ich tot bin, weil in Filmen auch immer so ein helles Licht aufleuchtet, wenn jemand abkratzt.
    »Evening? Schön wach bleiben. Evening? Cooler Name. Sieh mich an, Evening. Du bist im Krankenhaus. Wen sollen wir anrufen?«
    Schmerzen überrollen mich. Ich bin also doch noch nicht tot, auch wenn ich wünschte, ich wäre es. Dann könnte ich vielleicht wieder atmen, statt zu schreien.
    »Evening? Wirst du Eve genannt oder Evening?«
    Etwas rot verschmiertes Weißes schwebt vor mir wie eine Wolke bei Sonnenuntergang. Sie tastet mich ab und murmelt etwas. Dann noch eine Wolke und noch eine. Sie wirken grimmig, aber entschlossen. Und reden in Fragmenten, in Bruchstücken. Ich bestehe ja selbst nur noch aus Stücken. Lebenswichtige Organe. Vorbereitung. Erlaubnis. Schlimm.
    »Evening? Wen sollen wir anrufen?«
    »Sieh auf ihrem Handy nach. Wo ist das verdammte Ding eigentlich?«
    »Das wurde nicht gefunden. Nur ihr Schülerausweis.«
    »Wie heißt deine Mutter, Evening? Oder dein Vater?«
    »Mein Vater ist tot«, sage ich, höre aber nur gellende Schreie. Ich wusste gar nicht, dass ich singen kann. Lustig, wirklich, wo ich doch sonst keinen Ton treffe. Drei minus im Chorsingen für Anfänger – und die Drei gab es nur aus Mitleid –, aber hier singe ich aus vollem Hals.
    Wie schön es wäre, jetzt tot zu sein. Mein Dad und ich, nur wir beide, aber nicht das hier.
    OP 2 ist bereit. Keine Zeit. Komm, komm, komm.
    Ich liege da wie eine Laborprobe, aber zugleich fliege ich an den rot-weißen Wolken vorbei. Ich wusste gar nicht, dass ich fliegen kann. Was ich heute so alles über mich erfahre …
    »Evening? Eve? Sei so lieb und nenn uns einen Namen.«
    Ich versuche, zum Vormittag zurückzukehren, als ich noch nicht wusste, dass Wolken sprechen können oder dass ein Fremder den tropfenden Stumpf meines Beins von der Straße auflesen wird.
    Was mache ich denn damit? , hat er gefragt.
    »Meine Mutter ist Terra Spiker«, singe ich.
    Die Wolken schweigen einen Moment lang, dann fliege ich aus dem Zimmer mit dem hellen Licht.

2
    EVE
    Als ich aufwache, höre ich, wie sich zwei Leute streiten. Die Stimme des Mannes klingt mühsam beherrscht, aber die Frau tut sich keinen Zwang an.
    Sie stehen hinter einem hässlichen grünen Vorhang, sodass ich sie nicht sehen kann. Ich will das tun, was ich immer tue, wenn meine Eltern sich streiten: die Ohrhörer reinstecken und die Lautstärke voll aufdrehen.
    Aber etwas stimmt nicht. Mein rechter Arm gehorcht mir nicht, und als ich mir mit der linken Hand ans Ohr fasse, entdecke ich, dass jemand eine dicke Mullbinde um meine Stirn gewickelt hat. Aus meinen Armen und meiner Nase wachsen lange Schläuche.
    »Sie ist meine Tochter«, sagt die Frau, »und wenn ich sage, sie geht, dann geht sie.«
    »Hören Sie mir bitte zu. Wenn Sie Ihre Tochter jetzt mitnehmen, verliert sie vielleicht das Bein.«
    Mir wird klar, dass der Mann nicht mein Vater ist, weil mein Vater (a) in solchen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher