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Snapshot

Snapshot

Titel: Snapshot
Autoren: C Robertson
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Wellington war eine von mehreren Gassen, die quer durch den unteren Teil der Innenstadt führten. Da sie gerade breit genug waren für einen Pkw oder einen Kleinlaster, dienten die Gassen tagsüber als Zufahrtswege zu den Liefereingängen gehobener Hotels, Büros und Geschäfte. Nachts, wenn sie in der Dunkelheit verschwanden, dienten sie einem ganz anderen Geschäft.
    Der DI parkte an der West Campbell Street und stieg aus. Unter wüsten Flüchen verkroch er sich im Kragen seines Mantels und marschierte an dem durchnässten Constable vorbei, der am Eingang der Gasse postiert war. Weiter vorn, wo die Kollegen bereits ein Zelt aufgestellt hatten und Scheinwerfer die trübe Dämmerung erhellten, hatte sich ein Haufen Uniformierter, Detectives und Forensiker versammelt. Ohne aufzublicken, schritt Addison eine Kolonne großer, roter Müllcontainer ab, bis er seine Mitarbeiterin fand, DS Narey. Detective Sergeant Rachel Narey schien schon eine ganze Weile neben dem letzten Container zu warten– neben dem Container, der unter der weißen Plastikplane verschwand.
    Addison ließ auch DS Narey links liegen und zuckte nur mit den Augenbrauen, um sie über seinen Gemütszustand zu informieren. Gleichzeitig zog er sich ein Paar Latexhandschuhe über. Narey schüttelte den Kopf und folgte ihm in das Zelt, wo sich ein paar Leute von der Spurensicherung über die Tote beugten.
    » Okay«, bellte der DI . » Dann zeigt dem Hund mal seinen Knochen.«
    Der weiße Overall, der direkt vor ihm kauerte, fuhr herum und sah ihn an. » Detective Inspector Addison. Formvollendet wie immer.«
    Addison schaute in die grünen Augen von Cat Fitzpatrick. Natürlich registrierte er ihren missbilligenden Blick, doch im Moment hatte er wirklich keine Lust auf Belehrungen. » Ja, ja, schon gut. Ich weiß, die Sonne ist noch nicht mal richtig aufgegangen, aber ich hab trotzdem schon einen verdammt langen Tag hinter mir. Also bitte, Schätzchen, lassen Sie mich meine Arbeit machen.«
    » Aber klar doch, tun Sie sich keinen Zwang an. Ich sitz hier nur rum und schau meinem Nagellack beim Trocknen zu.«
    » Sehr gut«, erwiderte Addison, der gar nicht zugehört hatte. Als Fitzpatrick Platz machte, trat er einen Schritt vor.
    Auf dem Asphalt lag ein Mädchen. Anfang zwanzig. Arme und Beine wie verknotet. Weit aufgerissene Augen, weit aufgerissener Mund, als wäre sie von Panik erfasst worden. Ein kurzer Rock, über die Hüfte geschoben. Ein Slip unten am Fuß. Dunkelviolette Abdrücke am blassen Hals, wo der Mörder das kurze Leben aus ihr herausgewürgt hatte.
    An den Wurzeln war das platinblonde Haar nicht platinblond. Dickes Make-up, so dick, wie ihr Lippenstift rot war, ein hageres Gesicht unter knalliger Kriegsbemalung. Dünne Arme. Addison sah die verfärbten Finger, die maroden Zähne, die wunden Stellen an den Nasenlöchern. Klare Hinweise auf ihre Sucht. Dazu die schwarzen Plateaustiefel, der minimalistische Rock, das ärmellose Top. Klare Hinweise auf ihren Lebensunterhalt.
    Als er einen halben Schritt zur Seite trat, entdeckte er einen dunklen Fleck an ihrem Hinterkopf. Getrocknetes Blut. Passte farblich perfekt zu ihrem Lippenstift.
    » Also, woran ist sie gestorben?«, fragte er die Forensikerin. » Erwürgt oder erschlagen?«
    » Beides möglich«, meinte Fitzpatrick. » Aber wenn Sie mich fragen, ist die Kopfverletzung erst nach der eigentlichen Attacke erfolgt oder bestenfalls eine Begleiterscheinung. Er hat ihr den Hals zusammengedrückt und sie dabei nach hinten gestoßen, und da ist sie mit dem Hinterkopf aufgeschlagen. Aber nicht auf die Mauer hier.«
    » Nein? Wo dann?«
    » Zwanzig Meter die Gasse runter. Im Haar haben wir blaue Farbpartikel entdeckt, die zu der Nische da hinten passen. Hätte er sie hier getötet, hätten wir Ziegelspuren finden müssen. Haben wir aber nicht.«
    » Hat sie schon einen Namen?«
    » Nein«, meldete sich Narey zu Wort, die hinter ihm stand. » Sie hatte nichts dabei. Keine Tasche, keinen Ausweis. Entweder hat sie das Zeug versteckt, bevor sie zur Arbeit gegangen ist, oder irgendwer hat es ihr abgenommen.«
    Addison war nicht überzeugt. » Also ein Raubüberfall?«
    » Ich weiß, sieht nicht danach aus. Sieht eher danach aus, als hätte er sie beim Sex oder direkt nach dem Sex getötet. Und das lässt bekanntlich auf ein ganz anderes Motiv schließen.«
    » Klasse«, murmelte Addison. » Wirklich klasse.« Vorsichtig hob er eine ihrer Hände an. Trockene Finger, rissige Nägel und vor allem: auf den
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