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SMS - Sarah mag Sam

Titel: SMS - Sarah mag Sam
Autoren: Lotte Kinskofer
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mehr sehen. Außer Paul.

    Paul ist schon da, als ich komme. Er zieht bereits seine Skates an.
    Ich hole aus dem Rucksack meine Inliner und Knieschoner und ziehe die Schuhe aus. Paul runzelt die Stirn.
    »Wo ist dein Helm?«
    »Viel zu heiß«, maule ich.
    Paul, jetzt wieder mehr vernünftig als cool, findet das nicht okay, das sehe ich ihm an. Er legt die Schoner an, setzt seinen Helm auf.
    Ich hätte nicht damit angefangen, aber Paul kommt noch einmal auf Sam zu sprechen. »Marc hat recht, Sam hätte wirklich eine Abreibung verdient.«
    Ich seufze. »Bisher haben sich alle Mädchen gefallen lassen, dass er sie anflirtet und dann dumm stehen lässt.«
    »Du bist nicht alle Mädchen«, sagt Paul.
    Eifrig beschäftige ich mich mit meinen Skates und schlucke die aufkommende Traurigkeit hinunter.
    »Ich will nicht mehr über Sam reden«, sage ich entschlossenund packe meine Schuhe in den Rucksack, als wollte ich damit auch alle Erinnerungen an diesen Sommer wegpacken. Dann stehe ich auf, sehe den Radweg entlang, grinse Paul an. »Wer zuerst unten an der Straße ist?«
    Schon bin ich weg. Ein bisschen unfair, einfach so loszufahren, aber ich glaube, ich bin sowieso langsamer als Paul, also habe ich durch meinen überraschenden Start einen kleinen Vorsprung.
    »Dich krieg ich!«, ruft Paul und schon ist er hinter mir her.
    Irgendwie sind mir meine Skates fremd. Sie sind so schnell. Klar, denke ich, frisch gefettet, von Paul. Das hab ich glatt vergessen. So gut war ich schon ewig nicht mehr. Mit einem Riesentempo bin ich unterwegs, ich muss mich konzentrieren, starre vor mich hin, bloß nicht nach links und rechts schauen, bloß nicht anfangen zu denken. Wo Paul ist, weiß ich nicht, ich fahre einfach drauflos. Jetzt geht’s den Berg hinunter, da unten ist schon das Ziel.
    Okay, ich habe ein wichtiges Detail vergessen. Da meine Skates ziemlich langsam waren, musste ich nur selten bremsen. Die bremsten sowieso ständig während der Fahrt. Aber jetzt sollte ich es können. Klar weiß ich, wie das geht. Aber wie ich von diesem Tempo runterkomme, das ist mir nicht so klar. Ich habe auch nicht viel Zeit. Und keinen Helm auf. Da unten ist die Hauptstraße und ich sollte auf keinen Fall drüberbrettern, sondern vorher stehen bleiben.
    Ich höre Paul hinter mir schreien, aber ich kann mich jetzt nicht umdrehen. Ich glaube, er will mich warnen, das braucht er nicht, ich weiß, dass ich zu schnell bin. Was ichauch anstelle, ich werde einfach nicht langsamer. Ich kriege Angst. Hoffentlich kommt unten kein Auto, hoffentlich geht alles gut.
    Da spüre ich, wie mich jemand am Arm packt, seitlich vom Radweg wegreißt. Ich fahre ins Gras, es holpert, die Füße bleiben stehen, der Körper kriegt es zu spät mit, ich stürze. Ein Aufschlag neben mir. Das dürfte Paul sein.
    Ich öffne die Augen. Bis eben wusste ich nicht, dass ich sie geschlossen hatte. Ich sehe mich um. Hohe Grashalme, ein Schmetterling. Okay, ich bin noch in dieser Welt. Dann höre ich Pauls Stimme.
    »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Du hast mich gerettet, Paul.«
    »Gern geschehen.«
    Ich richte mich vorsichtig auf. Bewege Arme und Beine. Das Knie knackst, sonst scheint alles noch zu funktionieren. Paul sieht mich besorgt an und deutet auf mein Gesicht.
    »Du hast dir wehgetan.«
    Ich spüre nichts, aber als ich hinfasse, merke ich, dass ich blute. Paul kramt schon wieder in seiner Hosentasche.
    »Du hast extra neue Taschentücher eingesteckt«, sage ich und er grinst.
    »Aber dieses Mal weinst du wenigstens nicht.«
    Paul gibt mir das Taschentuch nicht. Behutsam tupft er selbst das Blut aus meinem Gesicht. Er kommt mir sehr nahe, aber er sieht mir nicht in die Augen, sondern starrt auf den Kratzer.
    Ich halte ganz still, ich sehe ihm zu, wie er sich konzentriert um meine Wunde kümmert.
    »Du bist immer da, wenn ich jemanden brauche«, sage ich ganz leise.
    »Sagen wir so: Ich habe fast immer ein Taschentuch, wenn du eins brauchst.«
    »Das auch, aber das ist nicht alles.«
    Jetzt sieht er mir doch in die Augen.

    Natürlich habe ich hundertmal in einer Mädchenzeitschrift gelesen, wie das ist, wenn man zum ersten Mal einen Jungen küsst. Ich habe auch gelesen, was man falsch machen kann und was richtig ist und wie ich mich fühlen sollte und was mit mir passieren sollte und was er macht und was ich mache …
    Es ist alles ganz anders. Es ist ein bisschen vom alten Paul, die jahrelange Vertrautheit. Aber es ist auch sehr viel neuer Paul, ein Paul, der sich das traut,
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