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Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)

Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)

Titel: Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)
Autoren: Manfred Krämer
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jungen Frauen. Manche weinten sich dunkle Streifen auf die Wangen, andere schnieften, eine spuckte vor Annika aus.
    Sie betraten das Auditorium durch eine separate Tür. Der Fotograf winkte dem Trio hinter den Tischen fröhlich zu und knarzte in den klobigen Stiefeln zu seinem Platz, wo er damit anfing, Objektive zu sortieren und seine Kamera zu überprüfen. Annika blieb hinter der Tür stehen, als sei sie gegen eine Wand gelaufen.
    Die Atmosphäre hatte sich spürbar verändert. Der Ludentyp hatte sein Jackett ausgezogen, präsentierte knallrote Hosenträger zum zerknitterten Hemd, die dürre Gouvernante paffte genüsslich ein Zigarillo und die „Mutti“ griente Annika zu wie ein sattes Baby. Man hatte noch zwei Stühle geholt. Einer war unbesetzt, auf dem anderen saß sie.
    „Nehmen Sie doch bitte Platz, Annika.“ Sieh an, die Nummer hatte plötzlich einen Namen. Die Stimme der hageren Gouvernante klang jetzt nur noch nach knisternder Seide.
    Unter den taxierenden Blicken der Anderen stakste Annika zu dem freien Stuhl, rückte ihn ein Stück zur Seite und versuchte, möglichst viel Verachtung auszustrahlen. Es misslang ihr. Zu groß war die ängstliche Erwartung, die wiederauferstandene Hoffnung, die pure Neugier. Was sollte dieses Theater? Was tat diese arrogante Kuh hier?
    „Das ist Sophia“, die Stimme der „Mutti“ troff vor Stolz. „Ich …“, sie stockte kurz und warf den anderen vielsagende Blicke zu, „wir haben eine Idee, die wir gern mit Ihnen beiden besprechen wollen. Sophia, würden Sie bitte diese Perücke aufsetzen?“ Al, der Fotograf, der wohl auf dieses Stichwort gewartet hatte, reichte Sophia eine blonde Perücke.
    Ungläubig verfolgte Annika, wie sich Sophia die Perücke aufzog, die Haare zurecht zupfte und ihr mit triumphierendem Grinsen das Gesicht zuwandte.
    „Perfekt, nicht wahr?“ der „Lude“ fletschte die Zähne und sah nun aus wie ein mexikanischer Pistolero in einem Sechziger-Jahre-Western. Annika reagierte nicht. Sie starrte immer noch diese Sophia an, als wäre sie ein Wesen aus einer anderen Welt. Doch das war sie nicht. Sie war ein Mensch wie du und ich. Sie war … Annika. Ein Spiegelbild ihrer selbst, ein Klon, eine Zwillingsschwester. Annika erkannte, dass es diese frappante Ähnlichkeit war, die vorhin ihre Aufmerksamkeit auf Sophia gelenkt hatte. Das dunkle Haar hatte sie getäuscht. Nun, mit dieser grässlichen Nuttenperücke, war es, als sei ein Vorhang gelüftet worden. Sophia sah ihr nicht nur ähnlich. Sie war eine perfekte Kopie. Das durfte, das konnte nicht sein!
    „Was soll das Theater?“ Annika war aufgesprungen, ihre Brüste hoben und senkten sich, sie schnappte nach Luft. „Sie schicken mich fort wie einen lästigen Straßenköter, lassen mich von diesem Menschen zurückholen, damit ich mir solche Kindereien anschaue? Danke, schönen Tag noch!“ Als sie die Tür hinter sich zuschlagen wollte, wurde sie daran gehindert. Der „Lude“ war aufgesprungen und ihr gefolgt.
    „Annika, hören Sie mir zwei Minuten zu. Zwei Minuten, dann können Sie von mir aus beleidigt abrauschen. Zwei Minuten! Bitte!“ Seine Stimme klang beschwörend, das Grinsen war einem besorgten Bernhardinerausdruck gewichen. Der Mann schloss die Tür. Sie waren alleine auf dem Flur. Er deutete auf zwei Stapelstühle vor dem schmutzigen Fenster.
    „Kommen Sie, Annika, setzen Sie sich. Zigarette?“ Dankbar griff sie zu.
    „Ich bin Theo, Theo Kaminski, ich arbeite als freier Agent für verschiedene Häuser. Vergessen Sie die Sache mit den Versandhauskatalogen. GEtTO sucht ein Zwillingspärchen…“
    „GEtTO?“
    Theo nickte. Die braunen Augen glänzten. Der Mann witterte das große Geschäft und sie sollte eine Rolle darin spielen.
    „Mit dieser … Sophia?“
    „Ihr beide oder keine von euch. GEtTO hat da glasklare Vorgaben.“
    GEtTO war Annika ein Begriff. Das kleine ehemalige Underground-Label aus Köln-Porz hatte sich in den letzten zwei Jahren zum neuen Stern am Modehimmel gemausert. Zwei junge Kerlchen, deren Eltern noch mit Pappkoffern per Bus aus Anatolien gekommen waren, ließen sich von ihren Schwestern und Cousinen extravagante Klamotten schneidern, die durch den anarchischen Mix aus Hippie-Stil und Eleganz die Jugend und die, welche ihr atemlos hinterher hechelten, in Ekstase versetzten.
    Mittlerweile beschäftigten die smarten Buben über sechshundert Mitarbeiter, besaßen eine europaweite Vertriebsstruktur und planten in naher Zukunft den Weltmarkt aufzurollen.
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