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Sister Sox

Titel: Sister Sox
Autoren: Max Bronski
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alt, als ihre Konflikte mit Iris immer heftiger wurden. Iris war, was Männer anging, nichtmehr besonders wählerisch. Zum Ausgleich legte sie eine überspannte, leicht hysterische Art an den Tag, mit der sie an Pia herumdokterte. Der ging das derart auf den Zeiger, dass sie von zu Hause auszog. Sie schrieb an ihre Mutter einen Abschiedsbrief, dass sie sich nun allein durchschlagen wolle. Einige Wochen später rief ein Kunde von mir im Laden an, er habe die Kleine auf dem Straßenstrich an der Freisinger Landstraße gesehen. Noch am selben Abend fuhr ich hin. Tatsächlich stand sie dort. Sie war grell geschminkt und abenteuerlich angezogen. Pia trug weiße, kniehohe Stiefel, einen bauchbindenkurzen schwarzen Rock und ein rosa Jäckchen aus synthetischen Straußenfedern, unter dem sie nur einen schwarzen BH anhatte. Ich packte sie so, wie sie war, ein. Aber Pia war schon verpfiffen worden. Wenig später stand eine Sozialtussi vom Jugendamt vor meiner Tür und holte Pia ab. Da war nichts mehr zu machen, diese Geschichte hatte Folgen, Pia kam für ein Jahr in ein Fürsorgeheim.
    Dieses Jahr richtete nur Schaden an. Vom Leben abgeschnitten, entwickeln die Mädchen schwülstige, überdrehte Ideen. Alles rührt sie zu Tränen. Musik, Briefe, Besuche, vor allem aber Engel- und Herzchenbilder. Sie schrumpfen wieder zu Kindern, und die Welt draußen stellt sich verzerrt als ein Märchenpark dar. Wieder in Freiheit sind sie meist in kürzester Zeit schwanger. Pia hatte andere Probleme, einmal in ihrem Leben bekam sie einen Begriff davon, was es bedeutete, hässlich zu sein. Sie war aufgebläht wie eine Dampfnudel, als sie rauskam. Nicht lange allerdings, dann hatte sie ihre frühere Figur, aber auch ihr früheres Leben zurück. Nicht mehr erwischen lassen – zumindest so viel hatte sie gelernt.
    In dieser Zeit war sie praktisch dauernd bei mir. Auch mich hatte sie anzumachen versucht. Sie ließ sich einfach nackt auf mein Bett fallen und sagte, ich solle zu ihr kommen. Sie drehte sich zur Seite und lag, auf den Ellenbogen gestützt, mir zugewendet. Selbst in dieser Stellung schienen ihre runden, festen Brüste kaum Erdenschwere zu entwickeln. Ihre Schenkel hielt sie leicht geöffnet, um mir zu zeigen, was mich erwartete. Sicher hatte ich noch nie eine attraktivere Frau im Bett. Ein Sonderangebot, für den nicht mehr ganz neuwertigen Herrn in der zweiten Lebenshälfte. Nicht, dass bei mir eine Verführung besonders schwer wäre, aber ich habe immer gemerkt, wann ich persönlich gemeint bin. Sie wollte sicher nur testen, ob ich für einen Fick zu korrumpieren bin. Bin ich nicht. Ich sagte, ich zöge es vor, ein guter Onkel zu bleiben.
    Abends zog sie mit ihrer Clique von Hängehosen und bauchgepiercten Mädels in der Thalkirchner Straße umher. Meist um das Freizeitheim herum. Dort trat sie zum ersten Mal mit einer Tanznummer auf. Später versuchte sie sich als Hip-Hop-Sängerin. Sie konnte das von Anfang an, Texte im Rhythmus der Musik raushauen. Dann ihre eigenen. Liebe, vergiss es, die mach ich nicht mit, Alter, verpiss dich, fass dir selber in Schritt . Sie war frech, hatte vor nichts und niemand Angst, hatte Stimme und jede Menge Druck, etwas zu sagen. Das war die Zeit, in der sie mir abhanden kam. Sie lieh sich Geld für einen Talentwettbewerb und verschwand. Kurz darauf las ich in der Zeitung, dass der Scout eines großen Plattenlabels von ihr sagte, sie habe einen so absolut positiven Unterschichtcharme und mit ihr habe man endlich mal nichtso eine girliehaft-zickige Kuh, sondern eine, die powermäßig drauf sei. Sie machten sie marktgängig, gaben ihr einen Besänftiger bei, der ihre Texte putzte, und es dauerte nicht lange, bis sie den so genannten Best Newcomer Award gewann und ihre erste CD produzierte. Die Scheibe hieß Sister Sox , ein Name, den Pia später für sich beibehielt.
    Die Musik lief gut, und so wurden sehr bald eine zweite und eine dritte CD mit ihr gemacht. Natürlich fand ich das ziemlich beschissen, dass sie in all den Jahren nie von sich hören ließ. Egal, Hauptsache, sie war angekommen. Von dem Pfadfinder in mir konnte ich mich sofort verabschieden und kriegte auch ohne gute Taten mein Leben auf die Reihe.
    Ich latschte schon eine ganze Weile herum, ohne dass ich gefunden hätte, wonach ich suchte. In Grünwald, wo sogar Hunde ein Zweithandy haben, eine Telefonzelle aufzutreiben, war so gut wie unmöglich. Am Isarhochufer stieß ich schließlich auf eine. Vorsichtshalber rief ich in der
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