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Sister Sox

Titel: Sister Sox
Autoren: Max Bronski
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Pumps steckte eine Flasche Champagner, darunter zwei Telefonnummern. Geöffnet bis 4 Uhr nachts. Ich steckte die Karte ein.
    Endlich drang ein Geräusch an mein Bewusstsein, das mich schon die ganze Zeit begleitet hatte: Das Plätschern eines Wasserhahns im Bad.
    – Pia, bist du da?
    Ich gab der Tür einen Schubs. Im Bad war es dunkel. Ich knipste das Licht an und ging in die Knie. Der Anblick raubte mir den Atem. Schlaff, mit verdrehten Gliedern wie eine Puppe, hing eine junge Frau über dem Badewannenrand. Fast nackt. Ein leiser Strahl floss aus dem Hahn. Die Frau trug einen Stringtanga, der nach Prollart bis in die Hüften hochgezogen wurde, so dass er aus der Hose herausguckte. Ihr Arsch war so kalkweiß wie die aufgestickten Perlen ihres Tangas. Darüber hatte sie ein orangefarbenes Hemdchen mit der Rückennummer sieben an. Ich spritzte mir ein wenig Wasser ins Gesicht. Dann nahm ich ein Handtuch und drehte ihren Kopf beiseite. Über ihrem linken Auge klaffte eine hässliche Wunde. Ich legte ihren Kopf wieder in die ursprüngliche Stellung zurück. Für mich sah das aus, als sei sie beim Versuch, sich eine Badewanne einzulassen, ausgeglitten und an den schweren Wasserhahn gefallen. Das einzig Tröstliche war, dass die junge Frau nicht nur jetzt, sondern auch früher einmal weiß war. Gott sei Dank! Die Tote war definitiv nicht Pia.
    Ich versuchte mich zu konzentrieren. Der Frau war nicht mehr zu helfen. Aber mir. Also wischte ich mit dem Handtuch alles ab, was ich angefasst hatte. Auch den Tischsäuberte ich von allen Spuren, die die Drogenfahndung hätten interessieren können. Die verwahrlosten Zimmer sahen immer noch beschissen aus, aber das war kein Delikt.
    Ich war froh, dass ich Pia unter solchen Umständen nicht gefunden hatte. Vor einigen Jahren wäre mir klar gewesen, dass es nun an der Zeit war, das Bettsofa in meinem Büro für Pia auszuklappen. Sie steckte in heftigen Schwierigkeiten. Ich verließ die Wohnung durch die Haustür. Dabei bellte die Bestie vom Band noch einmal zum Abschied.

6
    Ich schlich zu meinem Bus. Die Tote dort drinnen tot sein zu lassen und nicht zu melden, das konnte ich wirklich nicht bringen. Aber wie sollte das eingefädelt werden, noch dazu ohne Pia? Scheiße hatte ich mit ihr schon genug erlebt. Aber bislang war alles irgendwie glimpflich ausgegangen. Und davon konnte nun keine Rede mehr sein.
    Früher, wenn Pia von Iris ausgebüxt war, landete sie früher oder später bei mir. In dem Hinterzimmer meines Ladens, das ich als Büro benutzte, war ein Bettsofa, das sie ausgiebig benutzte. Kinder fand ich immer schon nett. Jugendliche weniger. Deswegen behandelte ich Pia wie eine Erwachsene. Aber damit lag ich offenbar genau richtig bei ihr.
    Als ich sie das erste Mal bei mir unterbrachte, war sie auf der Flucht vor einem Zivilbullen. Mit anderen Jugendlichen war sie nachts statt auf dem Gehsteig auf parkenden Autosspazieren gegangen. Sie hopsten wie Idioten auf dem Blech herum. Dabei gab es einige Dellen. Wie viele Anrufe bei der Polizei eingingen, war bei dem Lärm, den sie machten, vermutlich gar nicht mehr zu zählen. Schließlich wurden Zivile losgeschickt, um die Gruppe abzugreifen. Pia merkte das und haute vorher ab. Einer hinter ihr her. Pia rannte zum Schlachthof, weil sie sich auf dem weitläufigen Gelände gut auskannte. Versteckte sich im Lieferwagen einer italienischen Brotbäckerei. Dann schlug sie sich zu mir durch. Ich behielt sie zwei Tage bei mir, bis sie das Gefühl hatte, dass die Luft wieder rein war. Mit meiner guten Tat war ihre Adoption als Nichte vollzogen.
    Der Stress begann für mich, als Pia fünfzehn war. Sie war weit und breit das hübscheste Mädchen. Vom Aussehen her hatte Pia nur das Beste von ihren Eltern. Hübsch wie die blonde Iris, die mit ihrem runden Gesicht von allen Seiten immer gleich gut aussah, dazu eine Veredelung ins Exotische von Pierre Mondieu. Langes, gelocktes Haar, volle Lippen, Haut wie Milchkaffee. Plötzlich hatte ich lauter Pickelgesichter in meinem Laden, die sich oberschlau vorkamen, wenn sie ein wenig in alten Zeitschriften herumkramten, um Interesse an meiner Ware zu heucheln, aber bei nächstbester Gelegenheit nach Pia fragten. Lauter Hängehosen mit Strickmützen und offenen Turnschuhen, die die Hände in den Taschen hatten und den Oberkörper in Rücklage abhängen ließen. Ich deutete nur zur Kasse. Dort war ein Zettel angepinnt, auf dem stand, dass Auskünfte zu Pia nicht erteilt werden.
    Pia war sechzehn Jahre
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