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Sister Sox

Titel: Sister Sox
Autoren: Max Bronski
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der Arsch einer Frau ins Bild, den ich in meiner Aufgeräumtheit als einen der schönsten Münchens hätte bezeichnen mögen. Und da ich mir über dies und das Gedanken machen sollte, dauerte es, bis ich ihn wirklich registrierte. So einen Arsch konnte in München nur eine spazieren tragen, ein abgefeimtes, widerliches Miststück, das seinen alten Onkel in die Falle lockte und ihn Russen, Italienern und Bullen zum Fraß vorwarf, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich schaute ganz genau hin und hatte schließlich überhaupt keinen Zweifel mehr, dass das da drinnen Pia war.
    Wie ein Sendbote des Fegefeuers tauchte Onkel Tom auf, der Fürst der Schwermut. Er setzte sich unter eine Kastanie, schlug leise ein paar Akkorde an und begann zu singen. Diese ewige Bluesscheiße von wegen Sonne draußen und Regen drinnen. Und dass sie heute Morgen abgehauen ist. Mit einem anderen Mann. Was man nur hinausschreien kann. In die Baumwollfelder. Und alles noch mal von vorn, weil so ein gottverdammter Schmerz nie ein Ende, aber einen Refrain hat.
    Ich hätte weinen mögen. Da saß ich hier draußen, schluckte an meiner Maß, und die Ereignisse der letzten Tage zogen an mir vorüber. Sieben Tage lang hatten sie mich durch die Mangel gezogen, sieben Tage war ich in der Hölle wegen eines Scheißluders, das in der Zwischenzeit womöglich nur den Job gewechselt hatte. Was man eigentlich hinausschreien müsste. In die Baumwollfelder. Und alles noch mal von vorn, weil so ein Bier viel zu schnell zu Ende ist.
    Ich holte mir eine weitere Maß und stierte in den Krug wie in einen Fernseher. Am Grunde erschaute ich schließlichetwas vollkommen anderes: Wovor hatte ich am meisten Angst gehabt? Dass Pia tot oder in den Händen dieser schmierigen Zuhälter war. Und Pia? Sie hatte es irgendwie geschafft abzuhauen und hatte ohne Zögern ihr früheres Leben hinter sich gelassen. Sie war keine Sängerin mehr, lebte nicht mehr in Grünwald und war nicht vor mir, sondern vor Drogen und Prostitution davongelaufen.
    Ich winkte Onkel Tom. Er kam an den Tisch, und ich gab ihm einen Schein.
    – Alles klar, fragte er, als ob er mir ansehen würde, was mich umtrieb.
    Ich nickte. Er schulterte seine Gitarre und verschwand in der Dunkelheit. Alles mühlte noch eine Weile in meinem Hirn. Inzwischen wurde der Biergarten allmählich dicht gemacht. Endlich erhob ich mich und ging hinein. Pia stand hinter der Theke und wusch Gläser. Sie schaute auf und bemerkte mich sofort. Forschend sah ich sie an, verlegen senkte sie ihren Blick. Schließlich lächelte sie.
    – He, Gossec! Jetzt bist du ja doch noch gekommen.
    Ich nickte. Sie küsste mich auf beide Wangen.
    – Geht es dir gut?
    Pia zuckte die Achseln.
    – Wird noch.
    – Hast du einen Moment Zeit?
    Pia guckte sich um, ein schwarzhaariger junger Mann hinter ihr nickte ihr aufmunternd zu. Sie zog mich an einen Tisch.
    – Wie kommst du hierher?
    Pia runzelte die Stirn.
    – Lange Geschichte.
    – Mach sie kurz. Das meiste weiß ich ohnehin. Sascha ist tot, ihr wart total zugeballert, Zakow hat diese Aufnahmen mit euch gemacht. Und dann, wo warst du?
    – Zakow hat mich unter Verschluss gehalten. Hat mich in seinem Haus in ein Kämmerchen eingesperrt.
    – Habe ich gesehen. Im Keller.
    – Plötzlich war er verschwunden. Er kam nicht mehr zurück. Da habe ich versucht, aus seinem Haus abzuhauen. Fenster eingeschlagen, aber das Gitter konnte ich nicht beiseite schaffen. Plötzlich stand Carmello vor der Tür.
    – Carmello?
    – Ja. Er ist allerdings nicht mehr hier. Seine Familie hat ihn nach Italien zurückgebracht. Er dürfe vorläufig nicht wieder nach München zurück, sagte er. Aber er hat mir noch über einen Freund diesen Job vermittelt. Seit gestern bin ich nun hier.
    – Ach?
    Ich sparte mir genauere Erläuterungen, wie das alles miteinander zusammenhing und wer die Kalabresen waren.
    – Drogen, Karriere, Puff? Ist da noch was?
    – Von all dem, was war, will ich nichts mehr wissen.
    Sie musterte mich.
    – Siehst mitgenommen aus.
    – Wird schon wieder. Man ist ja nicht mehr der Jüngste.
    Pia wurde ganz ernst.
    – Verstehst du, bei mir geht es um alles: mein ganzes Leben, mein Glück. Das stand komplett auf dem Spiel, fast habe ich alles verloren. Und jetzt habe ich mich definitiv entschieden: Schnitt, noch mal von vorn!
    – Wo wohnst du jetzt?
    – Drüben in der Au habe ich ein Zimmer. Ich schreibe dir die Adresse auf.
    Zum Abschied küsste sie mich wieder auf die Wangen. Ich war schon fast aus der
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